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Neukölln: Nach dem Gefängnis droht jetzt der finanzielle Ruin

888 Tage war Monika de M. wegen Mordes und Brandstiftung unschuldig eingesperrt. Jetzt haben Nachbarn der abgebrannten Doppelhaushälfte sie auf Schadenersatz verklagt. Die Versicherung reagiert allerdings nicht.

Ausgerechnet am 18. September. „Wir haben ja mit dem Prozess gerechnet. Aber gerade an diesem Tag?“, sagt Monika de M. Am kommenden Donnerstag ist der furchtbare Brand in der Doppelhaushälfte im Uhuweg in Neukölln, das ihrem krebskranken Vater gehörte, genau fünf Jahre her. Der bettlägerige Theodor de M. war in den Flammen umgekommen. Seine Tochter Monika wurde kurz darauf als mutmaßliche Mörderin festgenommen. Nach 888 Tagen unschuldig im Gefängnis wurde sie im vergangenen April freigesprochen.

Und auf den Tag genau fünf Jahre später wird es vor einer Zivilkammer des Landgerichts um die Doppelhaushälfte gehen, die nur noch eine Ruine ist. Die Nachbarin hat Klage gegen die 52-jährige Monika de M. und deren Schwester erhoben. Sie fordere, dass das Gebäude derart instandgesetzt wird, dass kein Wasser mehr in ihren Teil eindringen kann, bestätigte eine Gerichtssprecherin. Streitwert des Verfahrens: rund 103.000 Euro.

Geld, das die Familie beim besten Willen nicht aufbringen kann. Monika de M. saß als angebliche Brandstifterin und Mörderin im Gefängnis, verlor Job und Wohnung. Ihr Schwager Rudolf Jursic hat viel Geld investiert, um zu beweisen, dass sie unschuldig ist – mit Erfolg. Die Versicherung aber hat bis heute nicht gezahlt. Nach Schätzungen des Schwagers müsste die Versicherung rund 147.000 Euro für den Aufbau des abgebrannten Hauses bezahlen. „Wir haben die angeschrieben, aber die melden sich gar nicht“, sagt Jursic. Als das Strafverfahren gegen Monika de M. noch lief, sei ihm erklärt worden, dass man erst Akteneinsicht haben müsse. „Das Urteil ist aber seit Mai rechtskräftig.“

Es war ein langer Weg zum Freispruch für Monika de M., die immer ihre Unschuld beteuert und erklärt hatte, dass ihr Vater im Bett geraucht habe. Im ersten Prozess war die Arzthelferin wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Die Richter sahen es als erwiesen an, dass sie Brennspiritus verschüttet und das Haus angezündet habe. Es sei ihr um die Versicherungssumme gegangen. Anfang 2006 hob der Bundesgerichtshof die Entscheidung auf. Der zweite Prozess endete mit einem Freispruch.

Es gab keine Brandstiftung, keinen Mord an dem kranken Vater. Die Tochter musste viereinhalb Jahre mit schlimmsten Vorwürfen leben, weil es ein belastendes Gutachten des Landeskriminalamtes (LKA) gab. Dieses aber sei „nicht tragfähig“, urteilten die Richter im zweiten Prozess. Nichts weise in der Ruine auf Spiritus hin. Diese These sei durch eine Sachverständige des Bundeskriminalamtes (BKA) widerlegt worden. Alles spreche für einen Schwelbrand, der durch eine brennende Zigarette von Theodor de M. ausgelöst worden sei.

Bei allem Pech jammert Monika de M. nicht. „Irgendwann wird alles gut“, sagt die Frau, die noch keinen Job gefunden hat und von Arbeitslosengeld II lebt. Bislang hat sie nicht einmal die Haftentschädigung von elf Euro pro Tag bekommen, die ihr per Urteil zugesprochen wurde. Davon sind Kosten für Essen und Zellenunterkunft abzuziehen – bis zu sieben Euro pro Tag. Den Fall von Monika de M., die demnach für fast zweieinhalb Jahre unschuldig in Haft lediglich 3600 Euro bekommt, nahm der Berliner Anwaltsverein zum Anlass, eine Anhebung der Entschädigungssätze zu fordern. Gisela von der Aue (SPD) unterstützte die Initiative der Anwälte. Sie werde sich in der nächsten Justizministerkonferenz für eine Änderung einsetzen, kündigte sie im Juli an. Berlin könne sich mit der Bundesratsinitiative an die Spitze der Entwicklung stellen.

Kerstin Gerhke

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