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Neuköllner Modell: Kirsten Heisigs Rolle bleibt unausgefüllt

8 Monate nach dem Tod der Jugendrichterin zeigen sich Anlaufschwierigkeiten beim Neuköllner Modell. Schulungen für Polizisten sollen die Anwendung des Modells verstärken.

Am Mittwochabend stand sie im ARD-Programm: die bewegende Dokumentation über Deutschlands bekannteste Jugendrichterin Kirsten Heisig, die sich vor mehr als acht Monaten das Leben nahm. Mit dem „Neuköllner Modell“ hat sie etwas geschaffen, das über ihren Tod hinaus Bestand haben könnte. Ziel des inzwischen auf ganz Berlin ausgedehnten Modells ist die Verfahrensverkürzung nach einer Tat, die mit maximal vier Wochen Dauerarrest geahndet wird. Die Verhandlung soll dann innerhalb von vier Wochen nach der Tat stattfinden.

Die Möglichkeit beschleunigter Jugendverfahren bestand zwar schon immer, wurde aber nicht so konsequent genutzt wie im „Neuköllner Modell“, weil dabei Polizei, Staatsanwaltschaft, Jugendgerichtshilfe und Richter an einem Strang ziehen müssen. Und das läuft offenbar noch nicht überall so, wie es sollte.

Aus Justizkreisen verlautet, es habe vor zwei Wochen sogar eine „Krisensitzung“ gegeben, wo Vertreter von Staatsanwaltschaft, Polizei und der Gerichte erörterten, was man wie verbessern könnte. Jetzt soll es offenbar, einheitliche Schulungen für noch mehr Polizisten geben. Schließlich müssen die Beamten entscheiden, wann das „Neuköllner Modell“ angewendet werden kann. Bei einem Apparat von knapp 17 000 Polizisten sei dies kein leichtes Unterfangen.

Das bestätigt auch Jugendrichter Stephan Kuperion, einst Freund und Mitstreiter von Kirsten Heisig. Allerdings sei es völlig abwegig von einer „Krisensitzung“ zu sprechen, sagt er: „Es war eines der regelmäßigen Arbeitstreffen, die auch schon vor dem Tod von Kirsten Heisig stattfanden. Dass das Neuköllner Modell überall angewendet wird, heißt ja nicht, dass es überall optimal läuft. Aber man kann seinen Erfolg auch nicht nur an der Anzahl der Verfahren messen.“

Laut Senatsverwaltung für Justiz werden berlinweit monatlich nur etwa 20 Jugendstrafverfahren nach dem „Neuköllner Modell“ beantragt. Insgesamt habe sich die Quote der „vereinfachten Jugendverfahren“, die es auch vor dem Neuköllner Modell von Kirsten Heisig schon gab, aber fast verdoppelt: von 7,6 Prozent im Jahr 2007 auf 13,8 Prozent 2010.

Allerdings ist das Thema nicht mehr so präsent wie zu Lebzeiten Heisigs. Zwar hat diese sowohl als Jugendrichterin in Neukölln als auch als Teamleiterin im Amtsgericht längst Nachfolger, aber keiner von ihnen will offenbar so mit dem „Neuköllner Modell“ identifiziert werden wie sie. „Das liegt wahrscheinlich auch an den Schwierigkeiten, die Kirsten Heisig im Kollegenkreis hatte“, sagt Neuköllns Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD): „Für manche war sie eine Nestbeschmutzerin, kein Wunder, dass niemand ihre Rolle übernehmen will.“ Wie Richter Kuperion hofft auch Buschkowsky, dass sich die gerade geschaffenen Strukturen im Jugendstrafrecht trotzdem weiterentwickeln – auch wenn die Reform jetzt kein Gesicht mehr hat.

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