zum Hauptinhalt
Forsch. So ließ Heinz Buschkowsky im Wahlkampf für sich werben. Sein Buch „Neukölln ist überall“ provoziert seit seinem Erscheinen vor einem Monat kontroverse Reaktionen.

© Illustration: Promo

Neuköllns Bezirksbürgermeister: Buschkowskys Buch: "Groschenroman mit fatalen Wirkungen"

Barbara John und zahlreiche Neuköllner Initiativen machen Heinz Buschkowsky schwere Vorwürfe. Mit seinem Buch schüre er Fremdenfeindlichkeit und verschärfe als Bürgermeister soziale Probleme.

Dass sich hier etwas aufgestaut hat, merkt man am Freitagmorgen schon an der Besetzung der Pressekonferenz. Während sonst bei solchen Veranstaltungen zwei oder drei Redner den Journalisten ihre Sicht darlegen, drängelt sich im Neuköllner Nachbarschaftszentrum „Leuchtturm“ ein gutes Dutzend Vertreter von Initiativen und Verbänden, die etwas sagen wollen. Auslöser der Veranstaltung unter dem Motto „Wir sind Neukölln“ ist ein Buch, das hier gleich mehrfach auf den Tischen liegt, versehen mit vielen Anmerkungen und Notizzetteln: Heinz Buschkowskys „Neukölln ist überall“.

Für Barbara John ist die zum bundesweiten Bestseller aufgestiegene Abrechnung des Bezirksbürgermeisters mit Integrationsdefiziten nicht viel mehr als ein „Groschenroman mit fatalen Wirkungen“. Eine Meinung, die neben der langjährigen Berliner Ausländerbeauftragten und heutigen Vorsitzenden des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin fast alle Vertreter in dieser Runde teilen.

„Dieses Buch macht unsere Arbeit zunichte“, sagt Asia Afaneh-Zureiki, Projektleiterin der Initiative „Juma“ („jung, muslimisch, aktiv“), in der sich nach ihren Angaben rund 100 Muslime engagieren. Sie selbst stamme aus einer Familie mit vier Kindern, zu Hause wurde nur Arabisch gesprochen – und dennoch hätten sie und zwei Geschwister einen Hochschulabschluss in der Tasche.

Von ihrem Bürgermeister fühlt sich die junge Frau als „Schmarotzer“ dargestellt, sagt sie und zitiert eine Passage aus dem Buch, in der es über den Bezirk heißt: „Zu dem früher üblichen Bestand der türkisch- und arabischstämmigen Bevölkerung haben sich zunehmend Schwarzafrikaner im Gebiet niedergelassen. Mit den Afrikanern ist noch mehr Brutalität, Drogen- und Alkoholmissbrauch eingezogen. Türkische und arabische Männer sitzen in den Cafés. Afrikanische Männer sitzen zu Hause, sehen fern, spielen, telefonieren und trinken. Afrikaner lassen sich noch schwerer in die Karten schauen als die anderen Ethnien.“

Und was sagt Heinz Buschkowsky zu der Kritik an seinen Thesen?

Buschkowsky-Kritikerin: Barbara John.
Buschkowsky-Kritikerin: Barbara John.

© Promo

Buschkowsky Generalabrechnung mit Integrationsdefiziten, so klagen viele Redner der Veranstaltung, hat die Feindseligkeit im Umgang mit Einwanderern verstärkt: „Ich höre bei uns seit der Veröffentlichung des Buches viel mehr offen rechtsextreme Kommentare gegen Migranten“, berichtet Julia Pankratyeva vom Interkulturellen Treffpunkt im Gemeinschaftshaus Gropiusstadt. „Buschkowsky macht radikale Positionen gesellschaftsfähig“, sagt Idil Efe vom Projekt „Neuköllner Talente“ des Vereins Bürgerstiftung, das Patenschaften für Kinder aus dem Bezirk vermittelt. Viele Migranten fühlten sich in einer Einstellung bestätigt, die die in der Sozialarbeit tätige Mediatorin Nicole Bromann so zusammenfasst: „Was soll ich mich in einer Gesellschaft einbringen, die mich so ablehnt?“

Dass es bei der Kritik an Buschkowsky nicht nur um einen Meinungsstreit geht, macht neben Barbara John auch Elfi Witten deutlich, Sprecherin des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes. Sie weist darauf hin, dass der Buchautor Buschkowsky zwar Integrationsprobleme zu kritisieren weiß – der Bürgermeister Buschkowsky allerdings aus ihrer Sicht zu eben diesen Problemen beiträgt. So sei Neukölln bei der Zahl der Kitaplätze „Schlusslicht“ im Bezirksvergleich. Wenn es um Kündigungen und Kürzungen von Projekten der freien Jugendarbeit gehe, sei Neukölln wiederum führend. „In den Bereichen, in denen Buschkowsky selber etwas unternehmen kann“, so das Fazit der Wohlfahrtsverbandssprecherin, „schöpft er seine Möglichkeiten überhaupt nicht aus.“ Und Barbara John ergänzt: „Wenn Herr Buschkowsky fordert, dass Kinder in Kitas gehen sollen, dann muss er dafür sorgen, dass es genug Kitaplätze gibt.“

Wie tief der Graben zwischen dem Bürgermeister und den an diesem Tag präsenten Gruppen ist, zeigt sich, als ein mit Buschkowskys Thesen teilweise sympathisierender Vereinsvertreter fragt, wo man denn mit dem Rathaus-Chef gemeinsam etwas verbessern könne? Darauf hat keiner in der Runde eine Antwort.

Was Buschkowsky selbst zu der geballten Kritik sagt, ist nicht zu erfahren: Er sei den ganzen Tag über in Sitzungen und für Kommentare nicht zu erreichen, heißt es aus seinem Büro.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false