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Berlin: Nich dot zu kriejen

"Na wat denn, na wat denn, wat is det für ne Stadt denn?" So klang es einst in der "Berlin-Hymne" von Kurt Weill.

"Na wat denn, na wat denn, wat is det für ne Stadt denn?" So klang es einst in der "Berlin-Hymne" von Kurt Weill. Kann der Berliner von heute überhaupt noch richtig berlinern? Aba jewiss doch! Bloß im Osten hamset mehr druff als im Westen. Das hat seine geografischen und politisch-psychologischen Gründe.

Das Theater des Westens wurde nicht nach dem Krieg, sondern 1896 eröffnet. Den Berliner Westen, die Adresse der feinen Leute, die nicht oder kaum berlinerten, gab es schon lange vor der Eingemeindung. Für sie reichte Berlin allenfalls bis zum Alex. Umgekehrt kamen die kleinen Leute von Friedrichshain, Prenzlauer Berg oder Wedding nur in den Westen, wenn sie sich einen Besuch im Zoo leisteten. Zu Mauerzeiten wurde das Berlinische im Osten kultiviert. Es stärkte das Identitätsgefühl. Abwehr gegen die Übermacht des Sächsischen in der Nomenklatur mochte eine Rolle spielen. Jedenfalls war die Stellung einer Person nicht an der Sprache erkennbar. In West-Berlin bemühte sich zumindest jeder Aufsteiger um Hochdeutsch. Berlinern galt als ungehobelt und proletenhaft. West-Berliner wollten weltoffen sein. Sie brauchten auf ihrer Insel den Beistand der großen weiten Welt.

Aba det Berlinische is nich dot zu kriejen. Jetze erst recht nich, wo se in den funkelnagelneuen Glaspalästen am Potsdamer Platz, in den Bundestagsbüros und Bundesministerien zu dusselich sind zu kapieren, dass viertel drei nich 15 Uhr 15, sondern 14 Uhr 15 is. Jetze statt jetzt: Das sagte man im Westen nicht vor dem Mauerfall. Das ist irgendwann aus der DDR nach Ost-Berlin eingewandert, nicht mehr genau lokalisierbar. So ist es auch mit dem Beiwort urst (mit langem u gesprochen wie uurst), das Anfang der sechziger Jahre in die Ost-Berliner Jugendsprache einsickerte. Urst toll. Heute sagen sie alle echt cool oder voll krass.

Berlina sind wir trotz der kleinen Ost-West-Unterschiede alle, Berlina bitte, vorne e, hinten a. Nur die Fremden sagen "Balina", keene Ahnung. Waschechte Berliner ärgern sich, dass sich Neues in ihre Mundart einschleicht. Wat solln det? Es war doch immer so. Jede Sprache lebt, auch die Berliner Mundart. Neuerdings hört man öfter: Wat solln dit? Und wenn der Berliner vornehm wird, sagt er sogar dis. Nur eins geht nicht: "Dette (Ditte) ist nich meene Welt." So redt der Berliner nich. Er sagt meine Beene.

Damit sind wir beim Grundstock des Berlinischen und seiner Herkunft aus dem Niederdeutschen, das die Siedler im Mittelalter mitbrachten. Deshalb looft, kiekt und kooft der Berliner so jerne. Ick ooch, aber nicht icke. Icke ist nur eine Betonung des Ichs, so wie der Franzose moi sagt. Wer steht draußen? Icke! Deshalb steht der Berliner auch nur scheinbar mit dem Dativ auf Kriegsfuß; im Niederdeutschen verschwimmen Dativ und Akkusativ mir, mich und dir, dich zu mi und di. Da muss einem gar nicht plümerant werden, um mit einer der vielen Verballhornungen zu reden, denen man die französische Herkunft aus der Hugenotten-Zeit nicht mehr anmerkt. Plümerant kommt vom sterbenden Blau, dem bleu mourant, das die Königliche Porzellanmanufaktur kreierte.

Icke, dette, kieke mal, Oogen, Fleesch und Beene... Das ist ein Spruch für Leute, die nichts von unseren Sprachregeln verstehen.

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