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Berlin: Nicht automatisch besser

Sparkasse, Bahnhof, Post: Maschinen ersetzen Menschen – und machen manches schwieriger

Schwungvoll stößt die blonde Frau die Eingangstür zu ihrer Sparkassenfiliale in der Potsdamer Straße auf und biegt routiniert Richtung Kasse ab. Doch vor dem Panzerglas-Kabuff steht statt Kundschaft nur noch eine mannshohe Grünpflanze, seit das Unternehmen seine Ein- und Auszahlungsschalter abgeschafft hat. „Entschuldigung, hat die Kasse heute zu?“, fragt die Überraschte. „Schon seit fünf Wochen“, antwortet eine Angestellte und empfiehlt der Kundin, das mitgebrachte Bargeld in der Filiale am Nollendorfplatz einzuzahlen, die zumindest bis September noch eine bemannte Kasse haben soll – oder gleich zur Postbank zu gehen, weil dort die Einzahlungsgebühr geringer sei.

Die Kundin zieht unverrichteter Dinge wieder ab, und die Sparkassenfrau kümmert sich um den nächsten Kunden: Ein alter Mann wollte Geld vom Schalter holen und steht nun PIN- und ratlos vor dem Automaten. Die Sparkassenfrau lässt sich Ausweis und EC-Karte geben und steuert das Gerät von ihrem Computer aus: „Bediente Auszahlung“ heißt dieser Menüpunkt auf dem Display. Weitere Funktionen sind nur noch die normale Auszahlung vom Girokonto und das Aufladen der Geldkarte. Begeistert ist der Mann nicht vom Automaten: „Da kann ja jeder sehen, wie viel Geld ich hole“, sagt er, während er die abgehobenen 3300 Euro einpackt.

Auch die Sparkasse spart bisher kaum Personal, weil sich vorerst ein Berater um verunsicherte Kunden kümmern muss. Aber die Frau am Tresen versichert, dass sie in den vergangenen Wochen weniger zu tun hatte als gedacht und sich auch ältere Leute schnell an den Automaten mit seinem Drei-Punkte-Menü gewöhnt hätten.

Dass Weniger oft mehr ist, zeigt sich auch, wenn man sich von der Sparkasse aus auf eine kleine Reise durch die automatisierte Stadt begibt. Am S-Bahnhof Potsdamer Platz verzweifelt gerade eine Familie aus Sachsen am Fahrschein-Automaten: Sie wollen zum Kurfürstendamm und später zurück in die Leipziger Straße. Geduldig blättern sich Vater, Mutter und Tochter durchs Tarifmenü auf dem Bildschirm. Aber der Weg von der Erklärung zum Kauf ist mühsam, denn er führt übers Hauptmenü. Kleingruppen- oder Tageskarten sind gar nicht im Angebot. Also marschiert die sächsische Familie zum Schalter mit Mensch dahinter. Während die Frau im Computer sucht, fährt die Bahn ab. Am Ende kaufen die Sachsen zähneknirschend sechs Einzelfahrscheine à 2,10 Euro. „Da ist es ja bequemer, sich drei Mal mit dem Auto zu verfahren. Und billiger wohl auch“, sagt Thomas Klietz, der Vater, und zieht mit Frau und Tochter weiter Richtung U-Bahn. Wären sie gleich dorthin gegangen, hätten sie es leichter gehabt, denn im Gegensatz zur S-Bahn verzichten die BVG-Automaten auf bunte Bilder und konzentrieren sich aufs Wesentliche, nämlich auf die Ticket-Auswahl – die gängigsten stehen oben. Außerdem ist das Bild kontrastreich, während die Displays bei der S-Bahn im Sonnenlicht kaum erkennbar sind.

Mit dem Auto hätte es Familie Klietz tatsächlich noch einfacher gehabt: 50 Cent pro halbe Stunde, verkündet der Parkscheinautomat; Schnickschnack und Wortschöpfungen à la Happy Parking Hour gibt es nicht.

Ähnlich simpel ist die Bedienung des Briefmarkenautomaten in den Potsdamer Platz Arkaden: klare Anweisungen (in acht verschiedenen Sprachen!), solide Tasten und ringsum genug Platz auch für Rollstuhlfahrer. Nebenan im Kaiser’s-Markt findet sich sogar noch eine automatenfreie Zone: Leergut wird wie einst von Menschen zurückgenommen. Dem jungen Mann, der mit seinen zwei Colaflaschen seit drei Minuten an dem verwaisten Tresen Sturm klingelt, wäre ein Automat allerdings lieber.

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