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Berlin: Nicht nur die Islamische Föderation drängt in die Schule, auch andere Organisationen wollen Religionskunde geben

"Ich bin gläubiger Moslem und Laizist" ruft der Sozialdemokrat Kenan Kolat in den Saal der Friedrich-Ebert-Stiftung und zitiert die erste Sure des Korans. Damit will er beweisen, dass der Mensch im Islam unmittelbar zu Gott steht und keine Organisation die Interessen der Gläubigen vertreten darf.

"Ich bin gläubiger Moslem und Laizist" ruft der Sozialdemokrat Kenan Kolat in den Saal der Friedrich-Ebert-Stiftung und zitiert die erste Sure des Korans. Damit will er beweisen, dass der Mensch im Islam unmittelbar zu Gott steht und keine Organisation die Interessen der Gläubigen vertreten darf. Er zielt mit der Sure auf die Islamische Föderation, die vom Bundesverwaltungsgericht als Religionsgemeinschaft anerkannt wurde und damit Religionsunterricht in den Schulen erteilen darf. Diese überraschende Auslegung des Korans durch den religiös wahrscheinlich am wenigsten beleckten Teilnehmer der Podiumsdiskussion zeigt, wie hilflos die Laizisten im Umgang mit der Religion sind.

Doch die Islamische Föderation, der die Nähe zur fundamentalistischen Bewegung Milli Görus vorgeworfen wird, wartet nur darauf, dass das am 23. Februar gefällte Urteil des Oberverwaltungsgerichts endlich geschrieben und verschickt wird. Dann muss die Schulverwaltung beginnen, die eingereichten Lehrpläne der Vereinigung zu prüfen.

Prüfen muß die Schulverwaltung aber auch den bereits 1999 gestellten Antrag des Verbandes der islamischen Kulturzentren e.V. (VIKZ), der ebenfalls Islamunterricht in den Berliner Schulen erteilen will. Die VIKZ ist der älteste Dachverband islamischer Vereinigungen in Deutschland. Der Professor für Islamkunde an der Humboldt-Universität, Peter Heine, der vor Gericht als Gutachter für die Senatsschulverwaltung auftrat, bestätigt dem VIKZ "größere Gelassenheit" und schätzt ihn als "pädagogisch weiter" als die Islamische Föderation ein. Der Berliner Vorsitzende der VIKZ, Osman Tozlu, betont, dass sein Verein Erfahrung mit Islamunterricht hat, weil er ihn seit Jahrzehnten in österreichischen Schulen erteilt. Auch auf eine eigene Ausbildungsstätte für Imame in Deutschland weist Tozlu hin. Damit sei garantiert, dass die Imame in Deutschland geboren und sozialisiert sind.

Trotz des eigenen Antrags versteht Tozlu seinen Verein nicht als Konkurrenz zur Islamischen Föderation. Im Gegenteil: "Wir haben zusammen mit der Islamischen Föderation und einer schiitischen Dachorganisation einen gemeinsamen Rahmenplan für den Islamunterricht ausgearbeitet", verkündet er. Der liege fix und fertig in der Schublade. Burhan Kesici, Verwaltungsratsvorsitzender der Islamischen Föderation, verrät: "Noch in diesem Monat legen wir den gemeinsamen Rahmenplan vor."

Damit hoffen die beiden Verbände, Schulsenator Böger die Hände zu binden. "Wenn wir jeweils separate und einen gemeinsamen Rahmenplan vorlegen, haben wir wirklich alle Anforderungen des Senats erfüllt und er kann nicht mehr Nein sagen", glaubt Tozlu vom VIKZ. Auch Kesici von der Islamischen Föderation ist davon überzeugt: "Wir haben getan, was man uns eigentlich nicht zutraut: Sogar mit Schiiten zusammengearbeitet."

Die Zusammenarbeit kommt freilich nicht von ungefähr. Damit soll die Befürchtung des Senats gebannt werden, dass der Islamunterricht durch zu viele Träger zersplittert. Ob das gemeinsame Vorgehen erfolgreich ist, ist offen. Denn Schulsenator Klaus Böger überlegt unter anderem, durch eine Änderung des Schulgesetzes nur Körperschaften des Öffentlichen Rechts als Religionsgemeinschaften anzuerkennen. Dann blieben die Islamisten vor der Schultür. Bögers Pressesprecher Thomas John betont jedoch, dass diese Überlegung nicht die "Ausgrenzung des Islams" zum Ziel habe, man wolle nicht "eine Richtung diskriminieren". Das Thema Gesetzesänderung sei allerdings auch mit einer Einigung unter den Islam-Richtungen nicht vom Tisch. Schließlich sei es das Anliegen des Senators, ein Pflichtfach zur Werterziehung einzuführen.

Professor Peter Heine findet die ganze Aufgeregtheit um den Islamunterricht übertrieben. Es gehe um die Kinder der etwa 12 - 18 Prozent praktizierenden Moslems unter den 300 000 in Berlin lebenden Moslems. Zwei Drittel dieser praktizierenden Moslems seien in der Ditip organisiert, einer direkt dem türkischen Religionsministerium unterstellten Islam-Vereinigung. Die Kinder dieser Gläubigen würden in keinem Fall an einem Unterricht von Islamischer Föderation oder VIKZ teilnehmen.

Heine findet, dass die islamischen Organisationen sich schon "mächtig bewegt" haben und warnt davor, diese zu überfordern. "Der CDU wird heute auch nicht vorgeworfen, dass sie 1947 im Ahlener Programm die Vergesellschaftung des Eigentums forderte." Die Islamische Föderation werde im Unterricht sehr vorsichtig sein, um sich keinen Angriffen auszusetzen. Außerdem glaubt Heine, dass die Organisation "Gefangene ihrer eigenen Propaganda" werden könnte und ihre zur Schau getragene Toleranz auch einlösen muss. So entstehe allmählich ein europäischer Islam, den keine Demokratie zu fürchten habe.

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