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Berlin: Noch gibt die Oder keine Ruhe

Behörden und Anrainer zögern mit einer Entwarnung. Bis zum Wochenende steigen die Pegel wieder

Ratzdorf - Das große Aufatmen nach dem Höhepunkt des Oderhochwassers gibt es bei den Anrainern noch nicht. Vielerorts liegen nach wie vor Sandsäcke, im Oderbruch kommen sogar täglich einige hinzu. Selbst das Hochwassermeldezentrum in Frankfurt (Oder) gibt keine Entwarnung und erwartet sogar am Wochenende wieder leicht steigende Wasserstände. Dann trifft die zweite Welle ein, die durch heftige Regenfälle im Odereinzugsgebiet vor einer Woche ausgelöst wurde. Das dürfte im südlichsten Oderort Ratzdorf wieder zur zweithöchsten Alarmstufe 3 führen. „Die Deiche müssen also weiterhin viel Druck aushalten“, sagt der Chef des Landesumweltamtes, Professor Matthias Freude. „Das machen sie aber bisher ganz vorzüglich.“ Mindestens zwei Wochen wird das Wasser wohl weiter über dem Normalpegel stehen.

Die Konsequenz kann im mehrere Tage überfluteten Buschmühlenweg im Süden von Frankfurt beobachtet werden. „Da niemand weiß, wie dicke es wieder kommt, bleiben die Sandsäcke vorerst vor dem Haus liegen“, sagt ein Anwohner. Sein Nachbar ist nicht ganz so skeptisch und wirft die übel riechenden Jutesäcke schon mal in den bereitstehenden Container. Eine gewisse Zufriedenheit stellt sich aber bei vielen Hoteliers und Pensionsbetreibern ein: Der Oder-Neiße-Radweg kann bis auf einige kritische Stellen im Oderbruch, wo das Hochwasser der Warthe noch nicht vollständig abgeflossen ist, wieder durchgängig befahren werden.

In Frankfurt versperrt keine Spundwand mehr den Blick auf den Fluss. Zwei Wochen lang verhinderte die 600 000 Euro teure Konstruktion eine Überflutung der Promenade. „Wir können sie bei Gefahr schnell wieder montieren“, heißt es im städtischen Katastrophenschutzamt. Allein in dieser Stadt waren 250 bis 300 Helfer zwei Wochen lang im Einsatz.

Neben dem Wetter verhindern die Biber eine vorzeitige Bilanz: Die Tiere beunruhigen vor allem im Oderbruch die Deichbeobachter. Immer wieder müssen sie roten Fähnchen in die Erde stecken, jede Markierung bedeutet eine in den Damm gegrabene Röhre, manchmal auch nur den Versuch. Die sich sprunghaft vermehrenden Biber – allein im 50 Kilometer langen Oderbruch sollen 120 Familien heimisch sein – spielten weder beim Oderhochwasser 1997 noch bei der Elbeflut 2002 eine Rolle. „Das Hochwasser hat ihre angestammten Burgen weggerissen, so dass sie sich jetzt nach neuen Behausungen umschauen“, erklärt Landrat Gernot Schmidt. „Mit ihren Grabungen beeinträchtigen sie aber die Standfestigkeit der Deiche.“ Daher müssten die Löcher möglichst schnell verschlossen werden. In Polen gibt es bereits Abschussquoten für den Biber. Das findet bei dem aus der Oderregion kommenden Bundestagsabgeordneten Hans-Georg von der Marwitz (CDU) Zustimmung. „Die Deiche sind existenziell wichtig für tausende Menschen im Oderbruch. Da kann es auch hier keine Toleranz für die Biber geben“, sagte er.

Nicht nur über Biber werden sich Experten und Einwohner verständigen müssen. Für die schon nach der Flut 1997 diskutierte Ausweisung von potenziellen Überflutungsflächen scheint jetzt der richtige Zeitpunkt zu sein. Dank der Flutung der Hälfte des 10 000 Hektar großen Nationalparks Unteres Odertal sank der Wasserspiegel bei Schwedt um 40 Zentimeter, oberhalb der geöffneten Polderflächen immerhin noch um zwölf Zentimeter. Nicht zuletzt deshalb hielten auch dort die Deiche. Ein ähnlicher Effekt würde sich auch bei einer Flutung der Neuzeller Niederung südlich von Frankfurt einstellen. „Wir gehen die Sache zügig an“, versprach Landrat Manfred Zalenga.

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