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Berlin: Noch immer wird eine neue Front geplant

28. April 1945: Oben tobt die Schlacht, und die Bevölkerung sitzt im Schutzkeller

„Sollten wir uns doch nicht mehr wieder sehen, dann hoffe ich, dass Du mich tief in Dein Herzkämmerlein einschließt und mich in gutem Andenken behältst“, schrieb eine Frau aus einem Keller im umkämpften Berlin an ihren Mann, der in Norwegen stationiert war. Der Brief wurde noch am 23. April ordnungsgemäß auf einem Kreuzberger Postamt bearbeitet, verließ die Stadt aber nicht mehr. Das zwei Tage später isolierte „Restreich“ auf Berliner Gebiet befand sich in einer bizarren Situation. In den Kellern und Schutzräumen saß der größte Teil der Bevölkerung: Frauen, Kinder, Greise und mitunter Zwangsarbeiter waren dem Geschehen ausgeliefert. In Abschnitten, die noch nicht direkt von den Kämpfen betroffen waren, versuchte ein Teil der Verwaltung, den Anschein von Normalität zu wahren. Man versuchte, seiner Arbeit nachzugehen, öffnete Schalter und Läden.

Dann gab es die Gruppe der Verteidiger: ein Teil Soldaten, außerdem Hitlerjungen im Grundschulalter und Männer, deren Wehrdienstalter längst vorüber war. Zu ihnen gehörten ebenfalls fanatische Nazis und Leute unterschiedlicher Nationalität, die mit ihrem Dienst für das Regime alle Brücken zur Vergangenheit abgebrochen hatten. Darunter beispielsweise 90 französische Angehörige der Waffen-SS, denen es mit viel Glück in letzter Minute gelungen war, auf dem Landweg in die Innenstadt zu kommen.

Ganz oben in der Hierarchie, tatsächlich aber unten in der Katakombe des Bunkers: Hitler mit seinen letzten Getreuen, unter ihnen der Reichsminister für Propaganda, Joseph Goebbels, mit seiner Familie. Mit einem kleinen militärischen Stab, zu dem der Chef des Generalstabes Krebs gehörte, führte der „Oberste Befehlshaber“, soweit technisch überhaupt noch möglich, vor allem die Kämpfe in Berlin. Hermann Göring, ursprünglich der zweite Mann, befand sich im Südteil und war in Ungnade gefallen. Alle übrigen Größen des Reiches hatten sich in eines der zwei noch unbesetzten Gebiete begeben, um von dort aus „die Verteidigung zu organisieren.“ Im Norden, wo Großadmiral Dönitz den Oberbefehl innehatte, befand sich das Oberkommando der Wehrmacht mit Generalfeldmarschall Keitel und Generaloberst Jodl.

Am 27. April schlugen sich bereits den zweiten Tag die Reste der 9. Armee zu den bei Beelitz wartenden Soldaten Wencks durch. An diesem Tag unterzeichnete Keitel ein Fernschreiben an die Heeresgruppe Weichsel, die 9. und 12.Armee, in dem er erklärte, die Schlacht um Berlin könne nur „gerettet werden“, wenn die Vereinigung dieser Armeen gelänge und sie nach Norden und das „verstärkte Korps Steiner“ auf Tegel vorstürmte.

Zum selben Datum fand in der Nähe von Fürstenberg eine Besprechung zwischen Hitlers obersten Militärführern Himmler, Dönitz, Keitel und Jodl statt. Es wurde beschlossen, durch einen Angriff in Richtung Templin-Prenzlau eine neue Front gegen die Rote Armee in Norddeutschland aufzubauen. Das Ziel bestand laut Nachkriegserklärungen darin, die Hauptrückzugslinie der Reste der 3.Panzerarmee zu decken. Im Bunker waren diese Vorstellungen unbekannt, die Schlacht im Zentrum Berlins ging weiter.

Richard Lakowski

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