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Berlin: Notfalls müssen Richter Schulpflicht durchsetzen

Senat will einheitliches Verfahren für alle Bezirke

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Immer mehr Schüler bleiben dem Unterricht lange Zeit unentschuldigt fern. Den Vorwurf, dass die Bezirksämter zu wenig tun, um den Schulversäumnissen auf den Grund zu gehen, weist der Neuköllner Bildungsstadtrat Wolfgang Schimmang (SPD) für seinen Bezirk zurück. „Wir verfolgen jeden Fall hartnäckig.“ In seinem Bezirk gäbe „keine ungeklärten Fälle“.

Wie berichtet, hatte eine Umfrage der Bildungsverwaltung in den Bezirken ergeben, dass Mitte Januar berlinweit 97 Schüler lange nicht mehr am Unterricht teilgenommen hatten. Sie waren auch dann nicht im Klassenzimmer aufgetaucht, als Bußgeldverfahren angestoßen wurden oder die Polizei sich eingeschaltet hatte. Bildungssenator Klaus Böger (SPD) hat die Bezirke erneut aufgefordert, ungeklärten Fällen nachzugehen.

„Bei uns funktioniert die Zusammenarbeit mit den Schulen sehr gut. Unser Amt wird sofort informiert, wenn ein Kind fehlt“, sagt Schimmang. Erscheint ein Kind nicht im Unterricht, rufen die Lehrer bei den Eltern an. Wenn keine Erklärung abgegeben wird oder sie nicht zu erreichen sind, „dann meldet die Schule sich sofort beim Bezirk“. Nach einer Frist von maximal zehn Tagen „schicken wir eine Bußgeldandrohung“, erklärt Schimmang. Reagieren die Eltern auch darauf nicht, erscheine bei ihnen eine Sachbearbeiterin unangemeldet in Begleitung von zwei Polizisten, um das Kind „der Schule zuzuführen“.

Neukölln ist der Bezirk mit den meisten Schulversäumnis-Anzeigen: Mitte Januar waren es 314. Das liege daran, dass Neukölln der Bezirk mit den meisten Schülern ist, nämlich 30 000. Zudem seien Fehlzeiten ein „Problem der sozialen Schichtung“, sagte Schimmang. Bei den Versäumnis-Anzeigen beruhten 90 Prozent auf „Desinteresse der Eltern. Sie kümmern sich einfach nicht um die Kinder“. Die restlichen zehn Prozent seien Fälle, in denen Eltern ihre Kinder längst in einem anderen Bezirk, Bundesland oder im Ausland zur Schule schicken, „sich hier aber nicht abgemeldet haben“. So sei es nicht selten, dass teilweise Kinder längst außerhalb Deutschlands leben, „hier aber nicht abgemeldet worden sind, damit die Eltern weiterhin Kindergeld kassieren“. Normalerweise erhalten Eltern beim Schulwechsel der Kinder in der alten Schule eine Umschulungskarte, die sie bei der neuen Schule abgeben müssen. „Wenn die neue Schule dann den Schülerbogen, den es für jedes Kind gibt, von der alten Schule anfordert, ist das der Beweis, dass alles geklappt hat“, sagte Schimmang. „Seit einigen Monaten schauen andere Bezirke auf Neukölln und unser Verfahren.“ Offenbar auch die Senatsschulverwaltung: Sprecher Jens Stiller sagte, es werde an einem einheitlichenVerfahren für alle Bezirke gearbeitet, das sich „stark an dem Neuköllner Modell orientiert“.

Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg handelt ähnlich rigoros wie Neukölln. Auch dort gibt es nach Angaben von Schulamtsleiterin Marina Belicke „keine ungeklärten Fälle“. 19 hartnäckige Schulschwänzer von insgesamt 23 000 Schülern im Bezirk wurden der Senatsverwaltung gemeldet – allerdings erst nach dem Stichtag 15. Januar. Die meisten Fälle würden Haupt- und Gesamtschüler betreffen, sagte Belicke. Nach Schulversäumnis-Anzeigen lädt das Amt Eltern, Kinder und gegebenenfalls den Familienbetreuer zum Gesprächstermin. In etwa 80 Prozent der Fälle werde das Angebot auch angenommen.

Wenn allerdings alle Sanktionen – vom Bußgeld bis zur polizeilichen Begleitung des Kindes zur Schule – scheitern, dann bleibt nur noch der Rechtsweg. Ein Richter macht den Eltern dann Auflagen: So etwa die Kinder pünktlich zur Schule zu bringen. Rund zehn Fälle von Schulversäumnissen in Kreuzberg landen so jedes Jahr auf dem Richtertisch, sagte Belicke.

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