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Berlin: NPD-Aufmarsch: Ausgesperrt: Viele Gegendemonstranten wollten zur Wehrmachts-Schau - vergebens

Der Mann mit dem Fahrrad ist an der Polizeiabsperrung den Tränen nahe. "Die Politik hat dazu aufgerufen, gegen die Nazis Gesicht zu zeigen - und jetzt hindern Sie mich an der Ausübung meines Demonstrationsrechts!

Der Mann mit dem Fahrrad ist an der Polizeiabsperrung den Tränen nahe. "Die Politik hat dazu aufgerufen, gegen die Nazis Gesicht zu zeigen - und jetzt hindern Sie mich an der Ausübung meines Demonstrationsrechts!" Doch die Polizisten an der Hannoverschen Straße Ecke Philippstraße lassen nicht mit sich reden: Kein Durchkommen, die Gegend rund um die Wehrmachtsausstellung ist noch in mehreren hundert Metern Entfernung abgesperrt. Zurück bleiben verärgerte, frustrierte, ungläubige Berliner mit dem Eindruck: Nazis dürfen demonstrieren, wir nicht.

Sie können nicht wissen, dass auf der Oranienburger Straße "autonome Randalier den Rechten in die Hände arbeiten", wie Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit noch während seines Ausstellungsbesuch über die Ausschreitungen sagt. Crista Haase, Ehefrau des früheren Parlamentspräsidenten Herwig Haase, ist aus Lichtenrade gekommen und lässt sich nicht abspeisen: "Zeigen Sie doch Zivilcourage!" Der Einsatzleiter hat ein Einsehen. Strammen Schrittes geht es durch weitere Polizei-Reihen hindurch bis zur Synagoge in der Oranienburger Straße. "Shalom Sabat", kann sie schließlich die Kantoren Issac und Mimi Schefer sowie den Direktor der US-"Anti-Defamation League", Joel Levy aus New York, begrüßen. Erschreckend, ihr Blick von oben auf die Straßenkämpfe.

Wer es erstmal in den Innenring geschafft hat, kommt auch weiter. Über den Köpfen das Schrapp-Schrapp der Hubschrauber, auf dem gefrorenen Boden das Getrappel Dutzender Entschlossener. Man sieht es schon von Ferne, das Haus Auguststraße 67: lange Schlangen wie sonst vor In-Diskotheken. Aber diesmal wollen alle in die Schau "Verbrechen der Wehrmacht - Dimensionen des Vernichtungskrieges 1941-1944". Ruth Matthée, 69, aus Hellersdorf, stützt sich auf einen Stock, aber mulmig war ihr da draußen trotzdem nicht. "Ich habe prinzipiell keine Angst." Ja, sie sei heute gezielt in die Schau gegangen, wie Irmgeld Hey, 64, aus Neukölln. "Was muss denn noch passieren, damit die NPD nicht mehr aufmarschieren darf?", fragen sich die Damen kopfschüttelnd. Frau Mathée hat sich mit Schauspielerin Ulrike Folkerts den Weg bis zur Wehrmachts-Dokumentation gebahnt.

"Unerträglich" findet Ausstellungsgast Klaus Wowereit beides - gewalttätige Eskalation und NPD-Aufmarsch. Wie Sybill Klotz, Grünen-Fraktionschefin, kann aber auch der Regierende noch nichts zu "Absperrungen und Polizeitaktik" sagen. Frau Klotz freut sich über die Gegendemonstranten jeglicher Couleur. Und gibt zu bedenken: Dass die NPD-Route durchs jüdische Viertel zunächst genehmigt worden war, habe die Ausschreitungen provoziert.

Annette Kögel

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