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Berlin: NPD-Demo: Jüdische Gemeinde greift Körting an

Die Jüdische Gemeinde hat gestern massive Vorwürfe gegen die Informationspolitik von Innensenator Körting im Vorfeld der NPD-Demonstration erhoben. Meir Piotrkowski vom Vorstand der Jüdischen Gemeinde widerspricht Körtings Darstellung, dass die Gemeinde vorher über die Verlegung des NPD-Marsches informiert worden sei.

Die Jüdische Gemeinde hat gestern massive Vorwürfe gegen die Informationspolitik von Innensenator Körting im Vorfeld der NPD-Demonstration erhoben. Meir Piotrkowski vom Vorstand der Jüdischen Gemeinde widerspricht Körtings Darstellung, dass die Gemeinde vorher über die Verlegung des NPD-Marsches informiert worden sei. "Eine offizielle, verwertbare Information gab es nicht", sagt Piotrkowski. Er beklagt einen "riesigen Imageschaden für die Stadt". Hätte die Öffentlichkeit vorher von der neuen Route des Umzuges erfahren, "hätte es vor der Synagoge keine Randale gegeben".

Erst nachdem die Gemeinde am Mittwoch angekündigt hatte, sich den Nazis vor der Synagoge entgegenzustellen, habe es einen Anruf der Polizei gegeben, "dass die Route verlegt werden könne". "Wir haben diesen leisen Hinweis nicht als Entwarnung verstanden", sagt Piotrkowski. Zudem habe das Telefonat "unter dem Siegel der Verschwiegenheit" gestanden. Innensenator Körting erklärte dagegen nach der Demo auf einer eilends einberufenen Pressekonferenz, dass mehrere jüdische Organisationen über die Verlegung informiert worden seien. Weiter teilte Körting mit, dass sich seine Verwaltung schon am 6. November mit der NPD auf eine neue Route geeinigt habe - dass also die NPD nicht an der Synagoge vorbeiziehe werde, sondern außerhalb des jüdischen Viertels von der Friedrichstraße zum Nordbahnhof.

"Wieso hat uns die Innenverwaltung nicht mitgeteilt, dass die Route verlegt wird, die neue Strecke aber geheim bleibt?", fragte Piotrkowski. "Wir hätten in aller Ruhe einen Gottesdienst auf der Oranienburger Straße abhalten können." So kam es stattdessen zu unwürdigen Szenen vor der Synagoge: Gemeindemitglieder, Bürger und autonome Linke vereinten sich in einer Sitzblockade - aber nicht gegen die NPD, sondern gegen die Polizei, die Steinewerfer verfolgen und festnehmen wollte. Der Innensenator gestand nach der Demo gegenüber der Presse ein, dass "es berechtigte Fragen" an seiner Informationspolitik gebe. "Ich habe am Freitag sehnsüchtig auf eine Erklärung Körtings gewartet", sagte das Vorstandmitglied der Jüdischen Gemeinde.

Stattdessen hatten nur Sicherheitsbehörden und wenige Eingeweihte die entscheidende Information - an die Öffentlichkeit drang sie nicht. "Definitiv wusste keiner von uns etwas", sagte Piotrkowski. Die Teilnehmer der linken Gegendemonstration hatten auch keine Ahnung, und die "normalen" Berliner, Anwohner und Touristen ebenso nicht, als sie am Sonnabend in eine völlig unübersichtliche Lage gerieten - zwischen Polizei und steinewerfenden Chaoten.

Hintergrund dieser Geheimhaltung waren taktische Erwägungen: Linke und Autonome sollten nicht wissen, wo die NPD marschiert, damit keine Auseinandersetzungen vorbereitet werden konnten. Auch Autonome rätselten bis zum Sonnabend, ob der NPD-Marsch durch das jüdische Viertel führen würde. Auf einer Internet-Seite hieß es am Mittwoch, "dass eine Routenänderung immer wahrscheinlicher wird". Am Freitag verdichteten sich Gerüchte, dass der Nordbahnhof der Endpunkt sei. Die abseits gelegene Station hat - das ist selten - vier Gleise, auf zwei Gleisen konnten die Sonderzüge für die Rechten "geparkt" werden, ohne den normalen Verkehr zu stören.

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