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Berlin: Nur eine Linderung der Schmerzen, mehr nicht Eine Patientenverfügung muss gut überlegt sein

Mach ich demnächst mal, hatte er immer gesagt, wenn man ihn auf eine Patientenverfügung ansprach. Im Juli vergangenen Jahres wanderte Horst Breger (Name geändert), 69 Jahre alt, noch durch Brandenburg.

Mach ich demnächst mal, hatte er immer gesagt, wenn man ihn auf eine Patientenverfügung ansprach. Im Juli vergangenen Jahres wanderte Horst Breger (Name geändert), 69 Jahre alt, noch durch Brandenburg. Manchmal hatte der Rentner aus Mitte Atemprobleme. Das sei altersbedingt, heißt es beim Arzt. Nichts Dramatisches. Wozu jetzt eine Patientenverfügung?, fragt sich der pensionierte Bäcker.

In einer Patientenverfügung, also einer Willenserklärung für den Fall, dass man selber einwilligungsunfähig ist, wird ein Arzt angewiesen, welche Behandlung er vornehmen oder unterlassen soll.

Im Oktober kommt Breger ins Krankenhaus. Lungenentzündung, wird vermutet. Beim Röntgen stellen die Mediziner „Auffälligkeiten“ fest. Zwei Tage später steht fest: Lungenkrebs, fortgeschrittenes Stadium, überall im Körper hatten sich Metastasen gebildet. Auch im Gehirn.

Schon bald arbeitet Bregers Gedächtnis nicht mehr zuverlässig. „Zu sehen, wie der eigene Vater den Verstand verliert, ist das Schlimmste“, sagen seine Söhne. Die Ärzte beginnen eine Bestrahlung. Um die Entzündungen an den Metastasen zu lindern, bekommt der Vater Cortison. Ohne Erfolg. Der Krebs hatte sich schon zu weit ausgebreitet, Heilung ausgeschlossen.

Nun füllt Breger eine Patientenverfügung aus, auf einem Formblatt kreuzt er an: keine Wiederbelebung, keine künstliche Ernährung. Stattdessen erklärt sich der Todkranke mit Palliativmaßnahmen einverstanden, die nur noch der Linderung der Schmerzen dienen. Ausdrücklich nimmt er lebensverkürzende Nebenwirkungen in Kauf. Niemand konnte vorhersehen, dass Bregers kurzfristig aufgesetzte Willenserklärung nicht ausreicht.

Eine Patientenverfügung ist bindend. Das hat der Bundesgerichtshof bestätigt. Wer für sich ein Leben als bettlägeriger Demenzkranker ablehnt, den muss der zuständige Arzt sterben lassen – eine Behandlung wider Willen wäre Körperverletzung. Umfragen zufolge haben nur 15 Prozent der unter 64-Jährigen in Deutschland eine Patientenverfügung. Das Ankreuzen von Vordrucken ist dabei selten ausreichend. Individuelle Wünsche sollten in einem ausführlichen Schreiben dargelegt werden.

Eine Verfügung ist umso wirksamer, je genauer sie den Fall trifft, über den entschieden werden soll. Sie muss jedoch offen genug sein, um die Vielzahl möglicher Erkrankungen abzudecken. Sie kann vom Verfasser jederzeit – auch mündlich – geändert werden. Noch habe weniger als jeder dritte Bewohner eine Verfügung unterzeichnet, heißt es aus Berliner Heimen. „Dabei sollte jeder rechtzeitig daran denken“, sagt Fenja Tholen, Geschäftsführerin der Fugger-Klinik, die auf die Betreuung von Wachkoma- und beatmungspflichtigen Patienten spezialisiert ist .

Kritiker der Verbindlichkeit von Patientenverfügungen wenden ein: Bei Betroffenen, die – wie viele Wachkomapatienten – nicht unmittelbar im Sterben liegen, dürften lebenserhaltende Therapien nicht abgebrochen werden. Denn wer könne ausschließen, dass die Forschung nicht doch noch Heilung bringen wird? Und wer weiß, ob ein früherer Wille auch dem aktuellen Wunsch eines Patienten entspricht?

Horst Breger spricht nur noch wenig, manchmal glaubt er, wieder Kind zu sein. Um wenigstens sein Gedächtnis zu erhalten, beginnen die Ärzte mit einer Ganzhirnbestrahlung: „Der Patient könnte ein paar Monate länger leben.“ Doch Breger hat Angst vor der Therapie. Er möchte nur noch in Ruhe gelassen werden. Doch klar ausdrücken kann er sich nicht mehr. Sollen die Ärzte die Therapie abbrechen und Breger sterben lassen, weil eine Heilung aussichtslos ist? Oder auf die minimale Chance kurzer Besserung hoffen?

In der Patientenverfügung von Horst Breger steht zum Thema Ganzhirnbestrahlung kein Wort. Nach zwei langen Wochen – Breger ist vom Kampf mit dem Krebs sichtlich gezeichnet – nimmt er seinen Söhnen und den Ärzten die Entscheidung ab. „Ich will nicht mehr, das bringt doch nichts“, sagt er erschöpft. Die morphinhaltigen Mittel, die Horst Breger in seinen letzten Tagen bekommt, lindern nur noch den Schmerz. hah

Ratschläge gibt das Bundesjustizministerium: www.bmj.de/Ratgeber/Patientenverfuegung_oe.html. Auch der Humanistische Verband (Telefon 030/6139 0410 oder www.patientenverfuegung.de) und die Hospiz-Stiftung (030/2844 4840) helfen.

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