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Berlin: Nur für Erwachsene

Einst prägte die Generation der heutigen Enddreißiger die Berliner Clubszene. Dann war kein Platz mehr für sie im Nachtleben. Aber das ändert sich nun

Von Till Schröder

und Ariane Bemmer

Zu jung für den Tanztee, zu alt für die Techno-Party: Die Generation, die einst die Clubkultur begründete, hat ein Problem mit dem Nachtleben. Ihre Ansprüche sind gestiegen, doch die einstigen Lieblingsdiscos können mit dem Wunsch der Enddreißiger nach stilvollem Ambiente, ungestörten Gesprächen und vielleicht einem exquisiten Essen nicht mithalten. Doch neue Clubs stehen bereit, diese Lücke zu füllen.

Am Sonnabend gab es im exklusiven „Felix“-Restaurant des Hotel Adlon eine Premiere. Erstmals zuckten hier lila, gelbe, blaue Lichtreflexe der Discokugel über weiße Wände, dunkle Ledersitzecken, gedeckte Tische. Sie machten aus den eher nüchtern-kühlen zwei Etagen des „Felix“ einen bunten Partyort. Dining ab 20 Uhr, Dancing ab 22 Uhr, ab jetzt die nächsten sieben Sonnabende. Das Ganze heißt „nc-Party“, wobei nc für Nightclub steht. Wer gute Laune und ein paar Euro mehr im Portemonnaie hat, ist gern gesehen. Und kann dafür vielleicht auch das eine oder andere bekannte Gesicht erspähen. Darum wollen sich die Veranstalter kümmern: Marc Dare Schmiedel pflegt über seine Entertainment-Agentur „Dreamwalker“ enge Kontakte nach Hollywood, Stephan Balzer arbeitet als Chef der Kommunikationsagentur „Red Onion“, und Dominic von Werthern ist Felix-Geschäftsführer. Nach den sieben Terminen wollen sie sehen, ob das Konzept aufgegangen ist.

Schon mehr als sieben Abende hat die Lola-Lounge hinter sich. Sie eröffnete Ende September in der Rosa-Luxemburg-Straße 17 in Mitte. „Wir fanden die anderen Clubs einfach schlecht“, sagt Jenny Michaels, eine der beiden Betreiberinnen. „Immer der gleiche untergrundige Berlin-Style, Selbstbedienung, Gedränge an der Bar und billiger Fusel“. In der Lola-Lounge sitzen die Gäste in Nischen auf weißen Bänken, wo sie ein Drei-Gänge-Menü ordern können. Nach dem Essen verschwindet der Tisch unter Polstern, eine Kuschelecke entsteht. Vorhänge werden zur Seite geschoben, der Gastraum erweitert sich um eine Tanzfläche. Die Gäste befinden sich nun in einer Disco, ohne auch nur einen Meter aus dem Haus gegangen zu sein. „Da kann das Auto stehen bleiben“, sagt Michaels. Das klingt nicht nur erwachsen – das Alter der maximal 90 Gäste pro Abend liegt zwischen 25 und 60.

Essen und Tanzen im großen Stil haben auch Lützowbar-Inhaber Peter Glückstein und Veranstalter Jacques Ihle mit ihrem „Goya“-Club im „Metropol“ am Nollendorfplatz vor. Geplante Eröffnung ist, wie berichtet, Ende nächsten Jahres. Bei 2000 Gästen wird das Haus erst richtig voll. Laut Businessplan sollen sie der „mittleren Altersgruppe“ angehören, also zwischen 30 und 50. Sie erwartet dann baskisches Essen an Tischen auf der Tanzfläche.Um viertel nach neun sollen die Tische weggeräumt werden, um Platz zum Tanz bei Weltmusik zu schaffen. Allerdings wird der Plan nur Wirklichkeit, wenn bis Silvester insgesamt 570 Clubmitglieder ein Aktienpaket im Wert von 3960 Euro gekauft haben. Etwa 300 unterschrieben bereits, weitere 200 sind angeblich fest entschlossen. Unter ihnen sind auch bekannte Künstler, Manager und Politiker. Die Liste wirkt wie ein Appell an die berufliche Vernunft der Nachtschwärmer, sich wie beim „Berlin Capital Club“ in ein Kontaktnetzwerk einzukaufen – nur lustiger.

Auch für das andere Metropol, das Operettenhaus an der Friedrichstraße, gibt es Club-Pläne. Das Team um Arena-Chef Falk Walter will hier den „Admiralspalast“ eröffnen – ebenfalls Ende 2004. Der Amüsiertempel soll eine Adresse für Theater, Wellness und Tanzen werden. Obwohl sich Walter dort auf keine Altersgruppe festlegen will, steht eines fest: „Ein Club für Kiddies wird das nicht.“ Walters Konzept entstand aus „eigenen Sehnsüchten“, und nicht etwa, weil die Enddreißiger eine große Zielgruppe seien. „Klar, es gibt es viele von uns“, sagt der 39-Jährige. „Aber wir feiern dafür nicht mehr so oft. Man hat ja Verantwortung.“ Die Clubs der Teenager heute sind ihm zu fad geworden. „Die machen das Gleiche wie wir vor zehn Jahren – nur abgelebter.“

Und wie erklärt sich nun der Trend, dass es immer mehr Angebote für die so genannten Erwachsenen gibt? Ein möglicher Grund ist das Lebensgefühl dieser „Generation plus Großstadtkultur plus Sonderfaktor Berlin“, sagt Reinhard Mohr, Autor des Buches „Generation Z“. Das ist die Generation, die zehn Jahre zu spät auf die Welt kam, um mit den 68ern auf die Barrikaden zu gehen – deshalb ein Z wie Zaungast blieb. Ewig jung zu bleiben, wurde ihr unpolitisches Credo. Dazu gehört auch ewiges Ausgehen, was laut Mohr nichts anderes als „gelebte Erotik“ ist. Wer sich nach 20 Jahren in Clubs plötzlich deplatziert fühle, dem blieben bisher nur Oper, Bar und Restaurant – oder der Abschied von der gelebten Erotik mit einem Leben daheim. Mohr sieht auch einen Druck zum Ausgehen und zu Berufsjugendlichkeit: „Wer da rausfällt, ist für die anderen tot.“

Hintergrundmusik und Namen für den neuen Reifeprozess der 25- bis 40-jährigen Berliner liefert Radio Eins mit dem Werbespruch „Nur für Erwachsene“. Der Slogan ist jetzt gut zwei Jahre alt. Nicht nur Popmusik und Spiele, sondern auch „Berichte über ernste Dinge in der Welt – das war mit erwachsen gemeint“, sagt Chefredakteur Helmut Lehnert. „Vieles in der Spaßgesellschaft ist uns zu kindisch.“ Dieser Aufruf zur neuen Ernsthaftigkeit hat einen positiven Nebeneffekt: Angeblich hören nun mehr zu, die im Sinne des Senders nicht erwachsen sind.

nc im Felix, Behrenstraße 72, Mitte, bis 31. Januar sonnabends (außer 3. Januar), Eintritt 12 Euro, www.nc-c.de ; Lola-Lounge, Rosa-Luxemburg-Straße 17, Mitte, Mittwoch/Donnerstag, 20 bis 2 Uhr, Freitag/Samstag 20 bis 5 Uhr, Telefon 27594430; Goya-Showroom, Budapester Straße 18, Telefon: 26391430, www.goya-berlin.de

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