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Berlin: Nur nicht übertreiben!

Brigitte Grunert über die Sprache der Politiker

Vorsicht mit dem Superlativ. Wir wollen uns doch nicht mit den „größtmöglichsten“ Übertreibungen lächerlich machen. Die Sorben verlangen weiterhin die „bestmöglichste Förderung“ ihrer Kultur. So hörte ich ihren Sprecher im Rundfunk sagen. Brandenburgs Regierungschef Matthias Platzeck fühlte sich im Streit um die Arbeitsmarktpolitik „in keinster Weise“ angegriffen, wie er im Interview des Tagesspiegels sagte. Platzeck war nicht der „einzigste“ Ministerpräsident, der Hilfen für die OstLänder forderte, aber er ist gewiss nicht der „meistgefürchtetste“ Kritiker der Bundesregierung.

So reden sie, unsere Politiker, so reden wir alle gedankenlos daher. Kann man denn in „einster Weise“ angegriffen werden? Natürlich nicht. Folglich darf man nur behaupten, dies sei in keiner Weise geschehen. Jedes Kind weiß, dass Artikel nicht steigerungsfähig sind. Sie gehören zum Substantiv. Bestimmte und unbestimmte Geschlechtswörter geben, wie der Name sagt, Auskunft über das Geschlecht der Hauptwörter, was man in keiner Weise bestreiten kann. Auch das Einzige kann man nicht steigern, sonst wäre es nicht einzigartig. Platzeck war nicht der einzige Ministerpräsident…

Wenn guter Rat teuer ist, überbieten sich die Politiker geradezu mit ihren „optimalsten Problemlösungsansätzen“. Da wird mir bange, falsche Schlange. Manchmal ersticken sie uns aber nicht ganz mit so einer Wortschlange, sondern lassen das Problem weg und reden verkürzt vom „optimalsten Lösungsansatz“. Das ist zwar nicht besser, hört sich aber an, als hätten sie in aller Bescheidenheit den Stein der Weisen gefunden. Wie wäre es mit Vorschlägen? Ach nein, das klingt so unfertig. Die „optimalste“ Lösung gibt es sowieso nicht, sondern nur die gute, bessere oder beste Lösung. Bonus – melior – optimus, lernen die Latein-Schüler. Allerdings genügt auch ein Blick in den Duden, um sich Klarheit zu verschaffen, dass die optimale schon die beste Lösung ist. Ebenso verhält es sich mit dem Extremfall, dem äußersten Fall, der nicht der extremste sein kann.

Doch selbst urdeutsche Wörter werden auf diese Art malträtiert. Wer ist der „meistgeachtetste“ Politiker, der „meistgefürchtetste“ Kritiker, der „bestgehassteste“ Wadenbeißer? Niemand. Was ist die „hauptsächlichste“ Sorge der Wirtschaft, die „bestmöglichste“ Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, die „größtmöglichste“ Übertreibung? Nichts. Von zwei Superlativen in einem Wort ist immer einer zu viel. Die Hauptsache ist die Hauptsache, der wichtigste Punkt, der hauptsächliche. Es ist genug der Ehre für den Wadenbeißer, dass er der bestgehasste, und für den Kritiker, dass er der am meisten gefürchtete ist, der meistgefürchtete. Nehmen wir also den Mund nicht zu voll. Sonst verschlucken wir uns ja.

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