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Berlin: Nur noch einer soll entscheiden

Im Tagesspiegel-Managerpanel fordern führende Unternehmer mehr Mut bei der Entbürokratisierung und den Verkauf von Landesbetrieben. Finanzsenator Sarrazin verspricht Fortsetzung des Sparkurses

Berlin darf sich nicht länger scheuen, Tafelsilber zu verkaufen. Das fordern wichtige Berliner Unternehmer und Manager von der Politik. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, dass die Hauptstadt keine zusätzlichen Bundeshilfen bekommt, müssten konsequent landeseigene Betriebe verkauft werden, um die Zinslast abzusenken. Dieses Stimmungsbild aus Berliner Führungsetagen geht aus der Herbstbefragung des Managerpanels hervor, das der Tagesspiegel gemeinsam mit der Berliner Volksbank und dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) durchführt. Das DIW befragt dazu zweimal jährlich einflussreiche Berliner Unternehmer und Manager.

Neben Privatisierung verlangt die Wirtschaft eine Verschlankung der Verwaltung. „Der Ärger über bürokratische Hürden ist einer der häufigsten Kritikpunkte unserer Geschäftskunden am Standort Berlin“, sagte Volksbank-Vorstand Johannes Altenwerth. Die Ergebnisse der Befragung diskutierten Manager und Unternehmer Anfang dieser Woche mit Berlins Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD). Trotz des Rückschlags seiner Sanierungspolitik durch die Entscheidung aus Karlsruhe versicherte er den Anwesenden Managern: „Wir bleiben handlungsfähig.“ Die Sanierung des Berliner Haushalts mit über 60 Milliarden Euro Schulden sei jetzt zwar noch schwieriger. Aber es werde auch für den neuen Senat keine Alternative zum eingeschlagenen Sparkurs geben.

Wie die Haushaltssituation aus Sicht der Wirtschaft nachhaltig verbessert werden könnte, skizzierte IHK-Hauptgeschäftsführer Jan Eder: Durch den Verkauf von landeseigenen Betrieben wie der Bankgesellschaft und der Wohnungsbaugesellschaften ließen sich innerhalb weniger Jahre 15 Milliarden Euro erzielen. Die Abschaffung der Bezirke und der Aufbau einer einstufigen Verwaltung reduziere die Kosten für Bürokratie. Die Sozialausgaben müssten auf Bundesniveau sinken und der Senat müsse zusätzliche Einnahmequellen erschließen, etwa durch Studiengebühren. „Das alles lässt sich sicher nicht über Nacht umsetzen“, sagte Eder, „aber auf diesem Weg kriegen wir einen ausgeglichenen Haushalt hin.“

Kai Konrad, Forschungsdirektor am Wissenschaftszentrum Berlin (WZB), forderte harte Schritte ein. Um klarzumachen, dass Berlin mit der Haushaltssanierung Ernst machen müsse, „muss auch über Berliner Symbole gesprochen werden: Brauchen wir wirklich zwei Zoos, drei Opern, alle Universitäten und Wohnungsbaugesellschaften?“, fragte Konrad. Auch wenn einzelne Objekte nur die im Vergleich zu den Schulden geringe Summe von „ein paar 100 Millionen Euro“ einsparten, seien solche symbolischen Schritte nötig.

Der Finanzsenator sieht das grundsätzlich ähnlich. „Ich spreche auch solche Symbole an“, sagte Sarrazin. Gleichwohl sei etwa die Schließung des Zoos im Westen oder des Tierparks im Osten der Stadt politisch kaum durchsetzbar. Jede Diskussion darüber führe zu einer Flut an Protestbriefen. „An der Zahl der Zuschriften gemessen können Sie in Berlin leichter ein, zwei Unis dicht machen als einen der beiden Zoos.“

Das Managerpanel ergab, dass 91 Prozent der Befragten den Verkauf von Landesbetrieben fordern. Ebenso deutlich verlangen die Befragten den Abbau von Bürokratie. Für fast alle Teilnehmer war die Beseitigung von Doppelzuständigkeiten von Bezirk und Senatsverwaltung ein Hauptanliegen. Zweitwichtigster Punkt: schnellere Planungsverfahren.

Immobilien-Unternehmer Dietmar Otremba erläuterte, wie die Verwaltung zuweilen Investitionen behindere: Sein Unternehmen habe drei Jahre lang um Busparkplätze an einem Spandauer Hotel gekämpft. Zunächst habe die Polizei gemauert. Als deren Genehmigung vorlag, ging die Auseinandersetzung mit dem Tiefbauamt weiter. „Wir haben angeboten, die Parkplätze selber zu bauen, da wir sie ohnehin bezahlen mussten, aber die Behörde hatte kein Einsehen“, sagte Otremba. Schließlich musste Otrembas Firma 24 000 Euro bezahlen. „Wir hätten es für die Hälfte gemacht. Aber noch schlimmer: Die Arbeiten zogen sich über neun Monate hin und waren erst nach der Fußball-WM abgeschlossen.“

Auch Roland Engels, Chef der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Berlin Partner, klagte über bürokratische Ärgernisse. „Es gibt keine Begrüßungskultur in der Stadt für ausländische Investoren und Spezialisten.“ Die abweisende Behandlung in den Ausländerämtern würden Führungskräfte aus Indien, China oder Amerika oft abschrecken, sagte Engels. „Darum lassen wir keinen Investor mehr ohne Begleitung aufs Amt gehen.“

Eine kleine Überraschung ergab die DIW-Umfrage bei der Bewertung des Wahlergebnisses (siehe Grafik). Die größte Zustimmung erhielt die Fortsetzung der derzeitigen Koalition. Offenbar trauen die Befragten der rot-roten Regierung derzeit mehr zu als allen anderen politischen Farbkombinationen.

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