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Berlin: Oben-Ohne-Haus an der Bundesallee Ecke Durlacher Straße bleibt durch Protest einer Mieterin vorerst unvollendet

Muss eine Mieterin dulden, dass ihr die freie und lieb gewonnene Sicht aus einem Fenster zugebaut wird, weil ein Nachbarhaus entsteht? Wie weit reicht hier der Mieterschutz, wie weit kann er das Eigeninteresse eines Hauseigentümers und Bauherren beeinträchtigen?

Muss eine Mieterin dulden, dass ihr die freie und lieb gewonnene Sicht aus einem Fenster zugebaut wird, weil ein Nachbarhaus entsteht? Wie weit reicht hier der Mieterschutz, wie weit kann er das Eigeninteresse eines Hauseigentümers und Bauherren beeinträchtigen? Mit dieser Frage wird sich das Amtsgericht Charlottenburg am Beispiel des seit drei Jahren blockierten Neubauprojektes an der Bundesallee Ecke Durlacher Straße eingehend beschäftigen. Nach einer Klage des Bauherrn kam es gestern zum Beschluss, sich am 3. September an Ort und Stelle ein Bild von der Wohnung der Mieterin und den Wohnungen über und unter ihr zu machen. Und nach dem Ortstermin der Richterin wird vermutlich entschieden, ob das Millionen-Projekt eines Büro- und Geschäftshauses fortgesetzt wird oder eine Bauruine übrig bleibt.

An dieser Straßenecke bietet sich ein kurioses Bild. Da steht ein Eckhaus, das nach drei Stockwerken abrupt aufhört. Der halbe Neubau reicht gerade bis zum nicht zugebauten Fenster der 37-jährigen Krankenkassen-Angestellten Sylvia Looks. Der Blick auf die Bundesallee und das ferne Europa-Center gehören für sie zum festen Bestandteil der Wohnung. Sie sträubte sich bisher hartnäckig und erfolgreich gegen den Bau, den Hauseigentümer Raoul Octave auf seinem Nachbargrundstück errichten will.

Während andere Mieter gegen finanzielle Entschädigungen ihre Eckfenster zubauen ließen, erwirkte Sylvia Looks eine einstweilige Verfügung beim Amtsgericht, und der Eigentümer scheiterte mit dem Versuch, den Beschluss vom Landgericht aufheben zu lassen. Der Hauseigentümer, ein Architekt, bot ihr Abfindungen, die Sanierung von Küche und Bad, ein Ersatzfenster - natürlich nicht an dieser Hausseite - und rund 30 Ersatzwohnungen, wie der Vertreter des Hauseigentümers, der Rechtsanwalt Oliver Girrbach vom Büro Knauthe, Paul, Schmitt gestern mitteilte. Die Vergleichsverhandlungen dauerten allerdings noch an.

Die Mieterin wohnt seit 1987 in ihrer 56-Quadratmeter-Wohnung und ist entschlossen, dort zu bleiben. Wie berichtet, hatte sie die Ersatzwohnungen als "nicht adäquat" bezeichnet und auch damit argumentiert, dass die angebotene Entschädigung von mehreren Tausend Mark den Verlust an Wohnqualität nicht ausgleiche. Den Vorschlag eines Ersatzfensters empfand sie als Zumutung. Sie habe frühzeitig den Vermieter wissen lassen, dass sie ein Zumauern ihres Fensters, von dem aus sie einen herrlichen freien Blick genieße, nicht dulden werde.

Der Eigentümer wiederum betonte, er habe die Mieterin frühzeitig davon informiert, dass er auf dem bislang freien Nachbargrundstück bauen wolle, sei aber von der Frau "hingehalten" worden. Der Baustopp soll schon "Hunderttausende Mark" gekostet haben, in dem halbfertigen Bau ließen sich Läden und Wohnungen nur unter Schwierigkeiten vermieten. Die beiden Rohbaugeschosse, anstelle eines Daches provisorisch mit Teerpappe abgedichtet, müssten als "Puffer" weiterhin leerstehen.

Inzwischen stehen Gerüste - aber nicht am unfertigen Haus, sondern am Nachkriegsbau nebenan, in dem die streitbare Mieterin wohnt. Während hier die Fassaden renoviert und aus Balkonen Loggien werden, dämmert der Oben-Ohne-Bau, der ein repräsentatives Eckgebäude werden sollte, weiter vor sich hin.

Christian van Lessen

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