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Berlin: Obwohl das Leben im Heim kläglich ist, fällt vielen Ex-Jugoslaven die Rückkehr in die Heimat schwer

Der Geruch in dem Vierbett-Zimmer raubt einem für einen Moment den Atem. Die Fenster sind geschlossen, der Zigarettenqualm hängt schwer in der Luft.

Der Geruch in dem Vierbett-Zimmer raubt einem für einen Moment den Atem. Die Fenster sind geschlossen, der Zigarettenqualm hängt schwer in der Luft. Die Männer, Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien, sitzen auf ihren Betten. In einer Ecke ein Kühlschrank, an der Wand gegenüber billige Kleiderschränke. Ein ganz normales Mehrbettzimmer in einem Flüchtlingsheim. Das Heim, eine ehemalige Grenztruppen-Kaserne, liegt in der Pankower Buchholzer Straße und wird vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) betrieben.

Zuerst will keiner reden. Und Fotos gibt es ganz sicher nicht. "Nachher erkennt mich mein Sachbearbeiter vom Sozialamt und ich bekomme Ärger", sagt einer. Dann erzählt doch jemand. Wie es ist, nicht selber für sich kochen zu können, weil man kein Geld mehr bekommt. Das schlimmste sei, dass man den ganzen Tag nichts zu tun habe. Man dürfe nicht arbeiten, könne nur herumlaufen, nicht einmal sein eigenes Essen könne man sich jetzt mehr zubereiten. Die Männer in dem Vierbettzimmer haben das Heimleben satt. Gerne würden sie wieder in ihre Heimat, doch jeder von ihnen hat Gründe, weshalb er, acht Jahre nach Kriegsbeginn in Ex-Jugoslawien, in Berlin immer noch auf sechs Quadratmetern lebt - soviel Platz steht einem Flüchtling laut Gesetz zu.

Für die DRK-Mitarbeitern ist vor allem die Vollverpflegung der Menschen problematisch. "Es ist unwürdig, wenn die Menschen nicht selbst für sich sorgen dürfen", sagte Susanne Arabi vom Roten Kreuz. DRK-Sozialbetreuer Khaled Omari hat festgestellt, dass ganz wichtige soziale Kontakte, die beim gemeinsamen Essenkochen oder bei der Küchenarbeit entstanden sind, wegbrechen. "Die Menschen haben keinen Kontakt mehr", sagte er.

Vojislav beschäftigen derzeit andere Probleme. "Ich muss auf meine Geburtsurkunde warten, sonst kann ich keinen Pass beantragen", erzählt er. Zwar sei er zu Beginn des Krieges mit einem jugoslawischen Pass nach Deutschland gekommen. "Doch den hat die Ausländerbehörde mir längst abgenommen", sagt er. Außerdem sei das Dokument ohnehin schon lange abgelaufen. Er sei in Bosnien geboren, habe aber nach Mazedonien geheiratet und dort lange gelebt. Jetzt müsse er seine bosnische Identität nachweisen. Die Geburtsurkunde soll seine Schwester für ihn besorgen. "Wenn sie gute Laune hat, bekomme ich das Papier vielleicht in einem bis zwei Monaten", schätzt der 48-Jährige. Dann wolle er die Rückkehrhilfe des Landes Berlin in Anspruch nehmen, sich von dem Geld Werkzeug kaufen und in Bosnien wieder als Goldschmied arbeiten, so wie vor dem Krieg.

Neben ihm sitzt Nenad aus Serbien. Auch er sagt, er würde sofort in seine Heimat zurückkehren. "Das habe ich bei der Rückkehrberatung auch gesagt, aber es ist noch so unsicher meiner Heimat", gibt der Familienvater zu Bedenken. Bei der Beratung habe man sein Zögern allerdings als Weigerung zur Rückkehr interpretiert. Das zuständige Sozialamt habe ihm daraufhin die Übernahme der Unterbringungskosten gestrichen. "Wir haben Widerspruch eingelegt, bis zur entgültigen Entscheidung verpflegen wir ihn auf unsere Kosten", sagt Sozialbetreuer Omari. Wie lange das durchzuhalten ist, weiß niemand. Das Landesamt für Gesundheit und Soziales (LaGeSo), die zentrale Vermittlungsstelle für Flüchtlingsunterkünfte, hat immerhin schon im Februar dieses Jahres darauf hingewiesen, dass Heimbetreiber Vertragsbruch begehen, wenn sie Menschen ohne Kostenübernahmeerklärungen weiter beherbergen. Das Landesamt droht mit Vertragskündigung, falls ein Betreiber die Betroffenen nicht auf die Straße setzt.

Bosnier mussten bisher noch nicht fürchten, dass die Sozialämter ihnen die Kostenübernahme verweigern. Allerdings, so wissen die Berater im Zentrum für Flüchtlingshilfe und Migration, gibt es bereits einige Sozialämter, die nicht nur Kosovo-Albaner, sondern auch Bosnier auffordern, zur Rückkehrberatung zu gehen. "Dabei haben die meisten noch Duldungen", kritisiert ein Berater. Wer eine Duldung hat, besitze die Erlaubnis, sich im Land aufzuhalten.

Auf das an diesem Wochenende auslaufende Rückkehrprogramm für bosnische Flüchtlinge, haben nur etwa 180 der insgesamt noch 12 700 in Berlin lebenden Bosnier reagiert. Die meisten nehmen enge Zimmer, wenig oder gar kein Taschengeld und sogar Vollverpflegung in Kauf, um noch nicht zurückkehren zu müssen. Nach Jahren der Unselbstständigkeit sind viele sicher auch in eine Lethargie gefallen, die ihnen das Leben hier als komfortabel, auf jeden Fall aber als sicher erscheinen läßt. Auch Vojislav gefällt es in Deutschland, und trotzdem möchte er bald nach Hause. An seine Zeit als Gastarbeiter auf der Hamburger Werft Blohm und Voss erinnert er sich gerne. In den 70er Jahren hat er die Bundesrepublik als "Goldenen Westen" kennengelernt. "Was aber soll ich jetzt hier, in einem Land, in dem ich nicht arbeiten darf, keine Papiere und keine Zukunft habe?", fragt er.

Silke Edler

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