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© Dirk Laessig

Oderberger Straße: Ungewollte Schönheitskur

"Es soll so bleiben, wie es ist": Anwohner der Oderberger Straße in Prenzlauer Berg wehren sich gegen Sanierungspläne des Senats. Sie fürchten um das besondere Flair der Straße, zu dem auch Blumenkübel und Sträucher gehören.

In die Oderberger Straße in Prenzlauer Berg ist neuer Kampfgeist eingezogen. Die Bürger gegen die Politik – das hat hier Tradition. Streitpunkt ist die geplante Sanierung der Straße, die Ende 2009 beginnen soll. 2,5 Millionen Euro will das Land Berlin zur Verfügung stellen, damit Gehwege und Straße neu gemacht werden. Anwohner und Gewerbetreibende befürchten aber, dass dadurch der „besondere Charme“ verloren geht. Denn von dem vielen Grün vor den Cafés und Trödelläden soll nicht viel übrig bleiben. Die Bürger wollen deshalb nur eine „behutsame Sanierung“.

Das Café „Entweder Oder“ ist zur zweiten Schaltzentrale geworden. Hier trifft sich die Bürgerinitiative, auf dem Tresen steht eine Box für die Umfragebögen, die zeigen sollen, was die Gesamtheit der Anwohner will. Trauerbänder und Plakate an den Bäumen und Sträuchern in der Straße zeigen die Grünflächen im Streik. Weitere Aktionen sind geplant. Oskar Neumann ist Sprecher der Bürgerinitiative. Für ihn ist die Oderberger „schlicht ein Stück Heimat, das nach und nach kaputt gemacht wird“. Der 36-Jährige ist hier aufgewachsen, den Bambus vor dem Café hat er selbst vor 30 Jahren gepflanzt.

In der Straße war immer was los. Schon als Jugendlicher hat Neumann miterlebt wie die Bürger für ihre Straße kämpften. 1986 sollten die Altbauten abgerissen und durch Plattenbauten ersetzt werden. Damals ist Oskar Neumann von Haus zu Haus gelaufen und hat die Anwohner befragt. „Als Jugendlicher war ich natürlich Feuer und Flamme, und dachte: Wow, es geht gegen den Staat. Aber uns war auch ein bisschen bange, die Partei war ja das erste Mal mit einer Bürgerinitiative konfrontiert, die konstruktiv Kritik äußern wollte“, sagt der Berliner. Dann gab es auch mal die Idee, eine Entlastungsstraße für die Schönhauser Allee durch die Oderberger Straße zu bauen, erinnert sich Oskar Neumann, die Anwohner setzten sich wieder zur Wehr.

Jetzt ist es erneut so weit. „Die Leute kommen wieder zusammen, es herrscht neuer Aktivismus. Schön, dass der alte Oder-Geist wieder auflebt“, findet auch Karin Powilleit. Die Potsdamerin wohnt seit 20 Jahren im Kiez und seit zwei Jahren in der Oderberger Straße. Natürlich engagiert sie sich in der Initiative. Sie mag ihre Straße und will, dass sie so bleibt, wie sie ist. „Die Straße hat einen dörflichen Charakter, man kennt sich. Ich habe in meinem Hinterhaus die totale Idylle, vorne brummt der Bär.“ Nach einer Totalsanierung würden nur wenige Bäume stehen bleiben und die „stünden alle in Reih und Glied“, bemängelt Karin Powilleit. Die Blumenkübel und Sträucher auf den Bürgersteigen würden verschwinden.

Auch das Pflaster der Straße soll aufgerissen und erneuert werden. Anwohner und Gewerbetreibende befürchten, dass die Straße in eine riesige Baustelle verwandelt wird, die die vielen kleine Läden, Kneipen und Cafés nicht überleben würden. „Es geht nicht nur um Bäume, sondern auch um einen funktionierenden Gewerbebetrieb“, sagt Neumann. Die 28 Restaurants, Kneipen und Cafés seien auf Laufkundschaft ebenso angewiesen wie die Klamottenläden.

Der zuständige Stadtrat Jens-Holger Kirchner (Grüne) setzt auf den Dialog mit der Bürgerinitiative, die Anwohner sollen in die Planung einbezogen werden. Doch die trauen der Politik nicht, „wir wollen auch in die Bauphase miteinbezogen werden, nicht nur in die Planung. Wir haben Angst, dass sonst am Ende ganz wenig davon umgesetzt wird“, sagt der Sprecher der Bürgerinitiative. Am Dienstag ist die Oderberger Straße Thema in der Bezirksverordnetenversammlung.

Auch die Denkmalschutzauflagen wollen den Oderberger-Aktivisten nicht einleuchten. Alte DDR-Laternen sollen durch noch ältere Schinkel-Laternen ersetzt werden. Die Anwohner würden am liebsten den Ist-Zustand als schützenswert festschreiben lassen. „Die Touristen suchen hier nicht das Berlin der 20er Jahre, sondern das Nachwende-Berlin, sagt Katrin Dirksen, Kellnerin im „Entweder Oder“.

Ein Ehepaar aus Münster hat im Reiseführer von der Straße gelesen und genießt die Herbstsonne auf einer der vielen Bänke. „Viel sollten sie hier nicht ändern, es ist wie in einem verwunschenen Garten“, sagt die Frau. „Die sollen das Geld lieber für etwas Sinnvolleres als die Sanierung verwenden“, sagt Oskar Neumann. Das allerdings ist schwer, die 2,5 Millionen Euro für die Sanierung stammen aus dem Landes-Etat für Denkmalpflege. Neumann freut sich, dass sich „das Unangepasste“ in der Straße gehalten hat. Aber eigentlich hatte er gehofft, dass die Straße fertig ist. „Ich möchte hier alt werden.“

Am Mittwoch um 19 Uhr trifft sich die Bürgerinitiative in der „Betroffenenvertretung“, Templiner Straße 17.

River Tucker

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