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Berlin: Öffentliche Handlanger

Wir brauchen Niedriglöhne, aber keine Bezirkspflege durch Ein-Euro-Jobber Von Eric Schweitzer

Um die EinEuro-Jobs wird weiter gestritten. Zuletzt meldete sich im Tagesspiegel der Neuköllner Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) zu Wort. Er verteidigte den Einsatz der Billiglöhner im öffentlichen Bereich. Sie reinigen Klassenzimmer, zupfen Unkraut in Parkanlagen, reparieren Computer oder verkaufen in Behörden belegte Brötchen. Die Rede ist nicht von Selbstständigen oder Unternehmern, sondern von EinEuro-Jobbern.

Zu Recht tobt ein Streit um diese Praxis. Denn eigentlich müssten Private diese Dienstleistungen anbieten. Das sieht eine gemeinsame Erklärung der Wirtschaft mit dem Senat, der Arbeitsagentur und den Gewerkschaften vom Dezember 2004 vor. Danach sollen die im Amtsdeutsch als Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung (MAE) bezeichneten Ein-Euro-Jobs „im öffentlichen Interesse liegen und zusätzlich sein“. Pflichtaufgaben des öffentlichen Dienstes sind demnach tabu.

Für einige Bezirksfürsten scheint diese Vereinbarung keine Bindungskraft zu besitzen. Sie machen es sich sehr einfach. Ihre Logik besteht darin, alles das für zusätzlich zu erklären, was die öffentliche Hand nicht finanzieren kann. Bekanntlich sind auch die Kassen der Bezirke ziemlich leer. Für einige Lokalpolitiker bedeutet dies offenbar einen Freibrief, Langzeitarbeitslose reguläre Job in Büros, Kitas oder Schulen erledigen zu lassen. Warum nicht gleich als Bezirksbürgermeister für 1,50 Euro pro Stunde? Diese Vorstellung ist natürlich genauso absurd wie der Einsatz von Billiglöhnern statt ordentlich bezahlten Fachleuten. Da sind sich übrigens die IHK und die Gewerkschaften einig.

Es lässt sich lange darüber streiten, ob Ein-Euro-Jobs tatsächlich die Tür zum ersten Arbeitsmarkt öffnen können. Die bisherigen Erfahrungen scheinen die Skepsis der Wirtschaft jedenfalls zu bestätigen. Zumeist werden superbillige Arbeitskräfte gesucht, deren Integration, Weiterbildung und berufliche Fortbildung keine Rolle spielen. Doch wo liegt der Ausweg aus dieser Misere? Will die Politik an den Ein-Euro-Jobs festhalten, braucht es klare Spielregeln. In Berlin sind die Vertreter der Wirtschaft dabei, Kriterien dafür vorzulegen. Eine so genannte Positivliste soll künftig den Beiräten der Jobcenter helfen, Entscheidungen über Ein-Euro-Arbeiten im Interesse aller Seiten zu treffen. Bezeichnenderweise waren es bisher die Vertreter der Arbeitsagentur und der Sozialämter, die ein konstruktives Wirken der Beiräte verhindert haben. Auch wenn es „Druck von oben“ gibt, schnelle Vermittlungserfolge zu erzielen und die Arbeitslosenstatistik freundlicher aussehen zu lassen, müssen die gemeinsamen Spielregeln eingehalten werden. Es sei denn, Politik, Gewerkschaften und Wirtschaft verständigen sich auf neue Grundsätze.

Seit langem fordern die Unternehmen einen Niedriglohnsektor – bislang jedoch erfolglos. Einen Markt dafür gibt es. Die Schwarzarbeit in vielen Branchen ist ein Beleg dafür. Natürlich muss auch bei einem Niedriglohn das Existenzminimum gesichert werden. Der Staat muss dafür die Grenze festlegen und durch Zuschüsse die Lohnsumme aufstocken. Statt Trägergesellschaften für die Vermittlung von Ein-Euro-Jobbern komfortable Pauschalen zu zahlen, sollte dieses Geld den Betroffenen direkt zugute kommen. Dies wäre der richtige Weg heraus aus der Massenarbeitslosigkeit. Die in einigen Bezirken praktizierte „pragmatische Betrachtungsweise“ der Ein-Euro- Jobs führt jedenfalls nicht weiter. Im Gegenteil – sie schadet massiv den Unternehmen.

Der Autor ist Präsident der Berliner Industrie- und Handelskammer und Vorstand des Entsorgungsunternehmens Alba

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