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Astrid Westhoff

© Kitty Kleist-Heinrich

Öffentlicher Dienst: Geduldsprobe im Arbeitskampf

Verdi-Verhandlungsführerin Astrid Westhoff geht beim Tarifkonflikt andere Wege als beim BVG-Streik. Die Forderungen sind moderater, die Zielsetzungen langfristiger.

Geduld ist eine Tugend, die sich im Tarifkonflikt des Berliner öffentlichen Dienstes auszahlt. Das weiß Astrid Westhoff. Die 49-jährige Gewerkschafterin mit dem Kurzhaarschnitt ist die Verhandlungsführerin der Gewerkschaften. „Seit 2006 sprechen wir mit dem Senat“, sagt die stellvertretende Verdi-Bezirksleiterin. „Man verliert irgendwann den Glauben, dass etwas schnell geht.“ Langfristig organisieren deshalb die Gewerkschaften – neben Verdi die Polizeigewerkschaft GdP und die Bildungsgewerkschaft GEW – den Arbeitskampf. Der Streikplan steht bis Mitte Juli. Kommenden Mittwoch und Donnerstag sind die südlichen Bezirke vom Arbeitskampf betroffen; die Woche drauf ist es der Norden. Am symbolträchtigen 17. Juni wird zu Aktionen unter dem Motto „Arbeiteraufstand“ aufgerufen.

Aber eine gewerkschaftliche Tarifexpertin muss nicht nur geduldig sein, sondern auch hartnäckig. Für eine Westfälin aus dem Rheinland, die seit 25 Jahren in Berlin lebt, kein Problem. Die Juristin, die jahrelang Gewerkschaftsmitglieder in Rechtsschutzangelegenheiten betreute, ist aufgewachsen in Wuppertal-Barmen. Der Stadt Friedrich Engels’, wie sie gerne betont. Westfälisch stur wiederholt Westhoff die Forderungen: drei Einmalzahlungen von je 300 Euro und Einkommenserhöhungen 2,9 Prozent für die Angestellten sowie Einmalzahlungen von 275 Euro und 5,9 Prozent für die Arbeiter. Anders als beim Arbeitskampf der BVG, wo Verdi-Verhandlungsführer Frank Bäsler mit einer Zwölf-Prozent-Forderung nach vorne geprescht war, klingt das Begehren durchaus moderat.

Wer ist denn da mit wem solidarisch?

Das liegt jedoch nicht unbedingt an einer geschickten Taktik, sondern vor allem an dem 2003 mit dem Senat geschlossenen „Solidarpakt“, den Verdi-Frau Westhoff allerdings nie so nennen würde – „Wer ist denn da mit wem solidarisch?“ Der Vertrag sieht nur vor, dass bei Tarifänderungen im Bundesgebiet auch in Berlin darüber verhandelt werden kann. Aus diesem Passus leiten die Gewerkschaften ihr Recht auf Arbeitskampf ab. Der Senat teilt die Auffassung nicht; Innensenator Ehrhart Körting (SPD) hat aber auf eine gerichtliche Klärung verzichtet. In den Koalitionsfraktionen und auch bei der Opposition – ausgenommen der FDP – gibt es viel Sympathie dafür, dass für die rund 50 000 Beschäftigten des öffentlichen Dienstes etwas getan werden muss. Die haben je nach Einkommen seit 2003 auf acht bis zwölf Prozent ihres Einkommens verzichtet und nicht mehr an bundesweiten Tarifrunden teilgenommen. Dass sich dieses nicht bis zum Auslaufen des Solidarpakts Ende 2009 durchhalten lässt, wie es Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) gerne hätte, ist allgemeiner Konsens.

Bis jetzt sind die Folgen des Streiks für die Bürger relativ begrenzt. Dabei ist ein Tarifbündnis mehrerer Gewerkschaften nicht einfach zu organisieren. Es gibt Eifersüchteleien. Bei der Feuerwehr sind sowohl Verdi als auch die GdP dabei; bei den Kitas sind sich Verdi und die GEW nicht immer grün. Differenzen treten auch bei der Verhandlungsführung zu Tage. Intern gibt es einen Streit, ob man jetzt schon mit dem Senat über eine Verlängerung des Solidarpakts verhandelt oder nicht. Bei der GdP herrscht die Auffassung vor, wenn jetzt etwas mehr draufgelegt wird, dann kann es eine Nachfolgeregelung nach 2010 geben. Das wiederum lehnt die GEW strikt ab. Öffentliche Misstöne rief eine Aktion der GdP hervor: Die wollte vor dem Privathaus des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD) demonstrieren. Nach viel Kritik zog die GdP ihren Plan zurück.

Ein Desaster wie bei der BVG will man verhindern

Offiziell gibt es noch keine Verhandlungen, die von Körting offerierten Einmalzahlungen in Höhe von 450 Euro lehnen die Gewerkschaften als nicht diskutabel ab. Dafür schlug jetzt SPD-Chef Michael Müller höhere einmalige Zahlungen oder einen Sockelbetrag für die niedrigeren Lohngruppen vor. Bei den Gewerkschaften und ihrer Verhandlungsführerin Westhoff sind dies durchaus Signale, die ankommen. Hinter den Kulissen werden jede Menge Gespräche geführt. Auf allen Ebenen – auch Verdi-Landeschefin Susanne Stumpenhusen ist involviert.

Ein Desaster wie bei der BVG, wo die Gewerkschaft alle Mühe hatte, nach einem pompösen Dauerstreik das Gesicht zu wahren, möchten die Funktionäre vermeiden. Deswegen halten es Beobachter für möglich, dass auch auf einmal alles ganz schnell gehen kann und eine plötzliche Einigung präsentiert wird. Verlassen kann man sich nicht darauf. Solange ist Geduld gefragt, nicht nur bei der Verdi-Verhandlungsführerin.

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