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Wie hier an der Fläming-Grundschule haben am Dienstag zahlreiche angestellte Lehrer in Berlin die Arbeit niedergelegt.

© dpa/Kay Nietfeld

Update

Öffentlicher Dienst: Von Kita bis Polizei: Gewerkschaften weiten Streik aus

Etwa 2200 angestellte Lehrkräfte, Schulsekretärinnen und Erzieherinnen sind am Dienstag nicht in den Schulen erschienen. Der nächste Streik am 11. März soll noch größer werden.

Die Streikbereitschaft war größer als erwartet: Mindestens 1500 Lehrer sowie 740 Erzieherinnen und Sekretärinnen haben sich Dienstag an einem ganztägiger Warnstreik beteiligt. Die endgültige Zahl dürfte noch höher werden, weil die Bildungsverwaltung die Umfrage bereits mittags vorgenommen hatte, als noch nicht alle Streikenden registriert waren. Gerechnet hatte die Bildungsgewerkschaft GEW mit 1500 bis 2000 Streikenden. Betroffen waren 327 der 550 öffentlichen Grund-, Berufs und Förderschulen. Aber das war erst der Anfang.

Vom Forstamt bis zur Universität drohen Streiks

Denn am 11. März steht der nächste Warnstreik an, der umfangreicher ausfallen wird. Dann werden nicht nur Gymnasien und Sekundarschulen, sondern alle Landeseinrichtungen bestreikt: Ämter, Senatsverwaltungen, Forstbetriebe, Kitas, Universitäten, Polizei und Feuerwehr. In allen Einrichtungen dürfen allerdings nur Angestellte streiken, Beamten sind Arbeitskämpfe verboten.

Angestellte Lehrer ärgern sich über Nachteile gegenüber Beamten

Aber am Dienstag waren erstmal nur die Grund-, Berufs und Förderschulen betroffen. Mit Plakataufschriften wie „Isch geh Hamburg“ drohten die angestellten Lehrer bei ihrer Kundgebung an der Friedrichstraße, dass sie in andere Bundesländer gehen, falls die Konditionen für die Angestellten nicht denen der Beamten angepasst werden: Die verbeamteten Lehrer erhalten netto mindestens 500 Euro mehr, weil sie keine Abzüge für die Altersversorgung und die Arbeitslosenversicherung haben. Um diese Unterschiede auszugleichen und um bundesweit einheitlich bezahlt zu werden, fordern die angestellten Lehrkräfte eine eigene Entgeltordnung für ihre Berufsgruppe sowie eine Öffnungsklausel für besondere Regelungen in einzelnen Bundesländern.

Die Länder wollen bei der Altersvorsorge sparen

Die Erzieherinen hingegen streikten vor allem, um der Forderung nach einer Gehaltserhöhung um 5,5 Prozent Nachdruck zu verleihen. Zudem wollen sie verhindern, dass es Abstriche bei der Altersversorgung gibt. Alle drei Punkte - Entgeltordnung, Gehaltserhöhung und Altersversorgung - werden zwischen den Gewerkschaften GEW, Verdi, GdP sowie IG BAU und der Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) verhandelt. Bisher ohne Erfolg.

Unübersichtlich wird die Lage dadurch, dass die Berliner Lehrer zum Teil andere Interessen als die Lehrer im Bundesgebiet haben: In Berlin bekommen die Berufsanfänger eine außertarifliche Zulage von rund 1200 Euro, um ihren Weggang in Bundesländer, die mit Verbeamtung locken, zu verhindern. Diese Zulage ist mit der jetzt angestrebten bundeseinheitlichen Lehrer-Entgeltordnung (L-EGO) nicht zu vereinbaren. Die Berliner Lehrer fürchten deshalb, dass sie weniger Geld als vorher verdienen werden, wenn es zu dieser bundesweiten Regelung kommt.

Rund 2000 Lehrer und Erzieher waren zur Kundgebung an der Friedrichstraße erschienen.
Rund 2000 Lehrer und Erzieher waren zur Kundgebung an der Friedrichstraße erschienen.

© Anna Ullrich

Die Berliner wollen nicht auf die Zulagen verzichten

„Dann ist es das Beste, wenn die Verhandlungen scheitern“, sagt Florian Bublys von der Junglehrerinitiative „Bildet Berlin!“. In diesem Fall würde auch die Friedenspflicht enden, die für die Dauer der jetzigen Tarifverhandlungen auf Bundesebene gilt. Die Folge wären größere Streiks als bisher. Was das bedeuten würde, war Dienstag zu erahnen: „Notbetreuung“ hieß es nicht nur an der Aziz-Nezin-Grundschule in Kreuzberg, wo 80 Prozent der Lehrer im Angestelltenstatus arbeiten. Bublys bekam Unterstützung von der GEW-Vorsitzenden Doreen Siebernik: "Wir wollen die L-EGO nicht um jeden Preis", sagte sie dem Tagesspiegel. Ohne länderspezifische Öffnungsklauseln und Zulagen gehe es nicht. Die Brisanz der jetzigen Verhandlungen wird noch dadurch erhöht, dass die 1200-Euro-Zulage nur bis Ende 2017 vom Senat zugesagt wurde.

Florian Bublys, Gymnasiallehrer in Tiergarten und Gründer der Initiative "Bildet Berlin!", beklagt die Schlechterstellung der angestellten Lehrer.
Florian Bublys, Gymnasiallehrer in Tiergarten und Gründer der Initiative "Bildet Berlin!", beklagt die Schlechterstellung der angestellten Lehrer.

© Kai-Uwe Heinrich

Vom Streikcafé zur Kundgebung

Der Streik an den Schulen hatte planmäßig am frühen Morgen begonnen. Schon vor acht Uhr standen an etlichen Schulen Gewerkschafter mit den roten Fahnen der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). An einigen Schulen ging gar nichts mehr, an anderen streikten nur wenige Kollegen, sodass der ausfallende Unterricht vertreten werden konnte. „ Gegen 8.30 Uhr hatten sich die Streikenden in „Streik-Cafés“ getroffen - etwa im Nachbarschaftshaus Urbahnstraße oder beim Bäcker im U-Bahnhof Hellersdorf. Von dort aus fuhren die Lehrer und Erzieher mit der U-Bahn zur Friedrichstraße, wo um 10.30 Uhr eine Kundgebung vor dem Haus der Tarifgemeinschaft der Länder stattfand . Mit der TdL verhandeln GEW und andere Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes über die Forderungen der Gewerkschaften nach einer Erhöhung der Einkommen um 5,5 Prozent, mindestens aber um 175 Euro monatlich, bei einer Laufzeit von 12 Monaten haben die Arbeitgeber ihre Forderung nach einer Verschlechterung der Zusatzversorgung (VBL) entgegengesetzt.

GEW nennt Vorschläge der Länder "dreist"

„Die Arbeitgeber haben kein Angebot für eine Entgelterhöhung vorgelegt“, kritisiert die GEW. „Im Gegenteil: Sie verlangen als Vorbedingung für einen Tarifabschluss die Zustimmung der Gewerkschaften zu Einschnitten bei der Zusatzversorgung. Wehren wir diesen dreisten Versuch, in unsere Altersversorgung einzugreifen, ab und setzen wir eine Gehaltserhöhung durch, die mit den Abschlüssen in den anderen Branchen Schritt hält. Ohne massiven Druck wird das nicht gelingen können“, heißt es seitens der GEW. Ihre Mitglieder sehen das ähnlich. „Den Erpressungsversuch der Arbeitgeber lasse ich nicht auf mir sitzen“, sagte eine der pädagogischen Mitarbeiter der Fläming-Grundschule morgens im Streikcafé in Schöneberg. Damit meinte sie den Versuch der TdL, die Lohnerhöhung gegen die Altersvorsorge aufzurechnen.

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