zum Hauptinhalt
Ein neues Gesicht. In einer Firmenbroschüre zeigt der Bahnhersteller Stadler, wie die neue S-Bahn für Berlin aussehen könnte. Eine Entscheidung ist noch nicht gefallen.

© Stadler

Öffentlicher Nahverkehr in Berlin: S-Bahn-Vergabe: Bahn diktiert Berlin den Preis

Bei der S-Bahn-Ausschreibung geht die Rechnung des Berliner Senats nicht auf. Anderswo ist man da weiter.

Der Senat hat sich gründlich verrechnet: Mit der Ausschreibung des Betriebs der S-Bahn wollte er Geld sparen und den Wettbewerb unter Bahnunternehmen stärken. Jetzt zeichnet sich ab, dass die Bahn den Preis bestimmen wird. Dem Vernehmen nach will sie rund 100 Millionen Euro mehr pro Jahr als der Senat kalkuliert hat. Die Verhandlungen ziehen sich in die Länge, mehrfach wurde ein avisierter Abschluss verschoben. Jetzt soll es – vielleicht – im Herbst so weit sein.

Woanders ist man weiter: Für den Rhein-Ruhr-Express (RRX) in Nordrhein-Westfalen, den künftigen Schnellverkehr zwischen den Städten, sind jetzt alle Verträge unterzeichnet worden. Dort ist man allerdings auch einen völlig anderen Weg gegangen, auf den der Senat sich nicht einlassen wollte.

Berlin hat sich für die klassische Variante einer Ausschreibung entschieden. Gesucht wird ein Betreiber, der auch neue Fahrzeuge anschafft. Dabei hat das Land aber bis ins Detail vorgeschrieben, wie die neuen Züge ausgestattet sein müssen. Das hat zahlreiche Bewerber abgeschreckt, die sich nach unzähligen Gesprächen aus dem Verfahren zurückgezogen haben. Zudem gibt es nur wenige Unternehmen, die einen Fahrzeugkauf stemmen können. Knapp 200 Fahrzeuge sind für den Betrieb auf dem ausgeschriebenen Ring erforderlich. Die Kosten sind mit knapp einer Milliarde Euro veranschlagt. So blieb am Ende die Deutsche Bahn mit ihrer Tochter S-Bahn Berlin als einzige Bewerberin übrig.

In NRW läuft's so, wie es die Opposition auch für Berlin forderte

Beim RRX hat man dagegen den Kauf der benötigten neuen Züge und den Betrieb getrennt ausgeschrieben. Dieses Verfahren hatte die Opposition auch für Berlin gefordert. Die Züge werden dabei von den Auftraggebern angeschafft und an die künftigen Betreiber vermietet. In der vergangenen Woche sind die Finanzierungsverträge mit den Banken unterschrieben worden. Dabei ist auch die Europäische Investitionsbank (EIB), die allein 340 Millionen Euro bereitstellt; zinsgünstig. Weitere Kreditgeber sind die Landesbank Hessen-Thüringen und die KfW IPEX-Bank, ein Tochterunternehmen der Kreditanstalt für Wiederaufbau. Sie gewährt ein Darlehen in Höhe von 283 Millionen Euro. Das Land Nordrhein-Westfalen ist mit 60 Millionen Euro dabei.

Solche Kredite gibt’s in der Regel zu günstigen Konditionen, die Bahnunternehmen bei ihren Banken meist so nicht erhalten. Die höheren Finanzierungskosten führen dann dazu, dass auch die Zuschüsse des Landes steigen. Bisher zahlt der Senat rund 250 Millionen Euro jährlich für den Betrieb des gesamten S-Bahn-Netzes. Das Geld stellt der Bund bereit. Die Höhe der künftigen Bundeszuschüsse für den Regionalverkehr ist allerdings noch nicht ausgehandelt.

Die EIB vergibt nach ihren Angaben langfristige Finanzierungsmittel für solide Projekte, die den Zielen der EU entsprechen. Auch beim BER ist die Bank dabei. Sie fördere traditionell nachhaltige und umweltverträgliche Verkehrslösungen, sowohl in der Infrastruktur als auch in der Modernisierung des rollenden Materials, erklärte die EIB bei der Vertragsunterzeichnung. Das Projekt RRX werde durch moderne, energiesparende und leise Züge dazu beitragen, dass sich die Qualität des Personennahverkehrs in Nordrhein-Westfalen spürbar verbessere.

Davon kann Berlin – zumindest derzeit – nur träumen. Den Auftrag zum Bau der RRX-Züge hat Siemens gewonnen. Das Unternehmen übernimmt auch die Pflege und das Instandhalten der Züge für 30 Jahre. Bestellt sind 82 Doppelstocktriebzüge. Beim Berliner Modell soll der Betreiber auch für die Fahrzeuge zuständig sein.

Es gab Mitbewerber - aber die fanden die Senatsvorgaben unerfüllbar

Den Betrieb in NRW übernehmen die Bahnkonkurrenten Abellio, ein Tochterunternehmen der niederländischen Staatsbahn, und das britische Bahnunternehmen National Express, die sich in einer Ausschreibung, aufgeteilt auf drei Linienpakete, Lose genannt, durchgesetzt haben. Entscheidend seien die kalkulierten Energiekosten gewesen, teilte der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr mit. Die Befürchtung der Deutschen Bahn, aufgrund von höheren Personalkosten nicht konkurrenzfähig zu sein, habe sich nicht bestätigt. In diesem Bereich seien unterschiedliche Anbieter in den Losen jeweils am teuersten gewesen.

National Express hatte Anfang des Jahres auch den Zuschlag für die S-Bahn Nürnberg erhalten. Klagen dagegen vor Gericht sind noch nicht entschieden. National Express wollte auch in Berlin antreten, zog sich aber wegen der nach Ansicht des Unternehmens nicht erfüllbaren Vorgaben des Senats aus dem Verfahren zurück.

Für den Bau der künftigen Berliner Züge ist das Konsortium Stadler/Siemens Favorit. Bombardier mit Hauptsitz in Berlin und Hauptwerk in Hennigsdorf hat sich zurückgezogen, weil die Bahn den Großteil der Kaufsumme erst überweisen will, wenn der letzte Zug ausgeliefert ist. Im Rennen um den Auftrag soll auch noch das polnische Unternehmen Pesa sein.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false