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Berlin: Offensive gegen das Sitzenbleiben

Schulen müssen künftig gezielte Förderung nachweisen

Regelmäßig bleiben in Berlin rund 15 000 Schüler sitzen. Bis Pisa galt das als normal und richtig, jetzt nicht mehr, denn in Pisa-Siegerländern wird kaum „sitzen gelassen“. Deshalb müssen auch Berlins Schulen ab sofort nachweisen, dass sie gefährdete Schüler optimal fördern, um ihnen die Klassenwiederholung doch noch zu ersparen. Diese Vorschrift des neuen Schulgesetzes gilt seit dem 1. Februar, ist allerdings bisher kaum bekannt. Jetzt soll ein Rundschreiben aus dem Hause von Bildungssenator Klaus Böger (SPD) nachhelfen.

Es besagt, dass sich alle Lehrer einer Klasse zusammensetzen müssen, um für potenzielle Sitzenbleiber „individuelle Fördermaßnahmen“ und einen „Bildungsplan“ festzulegen. Auch die Eltern müssen einbezogen werden. Der weitere Werdegang des Schülers ist so zu begleiten, dass dies „aktenkundig“ wird. Denn die Schule muss in der Lage sein nachzuweisen, dass sie ihren Beitrag geleistet hat, um den Schüler besonders zu fördern. Dies muss auch einer gerichtlichen Überprüfung standhalten können.

Die Schulen reagieren auf diese neue Vorschrift unterschiedlich. „Wie sollen wir die Schüler zusätzlich fördern, wenn selbst für den Regelunterricht die Lehrer knapp sind?“, fragt Andreas Schulz, Leiter der Neuköllner Heinrich-Heine-Realschule. Zudem fragt er, wie man einen Schüler dazu bringen soll, Zusatzaufgaben zu machen, wenn er nicht einmal Hausaufgaben erledigt. Auch die Einbeziehung der Eltern erscheint ihm schwierig: Manche Eltern ließen sich nie blicken. Seine Kollegen zu Hausbesuchen zu schicken, lehnt er kategorisch ab.

An der Tempelhofer Werner-Stephan-Hauptschule sieht man die Neuregelung weniger kritisch. „Wir können doch unsere Förder- und Integrationsstunden einsetzen, um den gefährdeten Schülern noch gezielter zu helfen“, sagt die kommissarische Schulleiterin Dagmar Reimnitz.

Wenn Schulen nicht über solche zusätzlichen Personalmittel verfügen, heißt das aber nicht, dass sie keine besondere Förderung leisten können, betont Anne Rühle, Sprecherin der Bildungsverwaltung. Die Lehrer müssten eben dazu übergehen, den Schülern je nach Schwachstellen unterschiedliche Aufgaben zu geben und die gefährdeten Schüler stärker zu kontrollieren. Viele Schulen hätten das auch bisher schon gemacht. Neu sei aber, dass diese Bemühungen seitens der Schule jetzt verpflichtend sind: „Das neue Schulgesetz zeigt, wo die Latte hängt. Und die Schulen wissen: Bis dahin müssen wir springen“.

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