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Berlin: Ohne Bundestag hätte Berlin 50000 Arbeitslose mehr

Prognos-Studie: Der Regierungs- und Parlaments-Umzug hat der Stadt einen wirtschaftlichen Schub gebracht

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Berlin profitiert kräftig von seiner Rolle als deutsche Hauptstadt. Der Umzug von Bundestag und Regierung hat der Wirtschaft seit 2001 ein zusätzliches Wachstum von 4,5 Prozent beschert und auf Dauer 52 000 Arbeitsplätze neu geschaffen oder gesichert. Das Gastgewerbe kann in den nächsten Jahre mit einer zusätzlichen Nachfrage von acht Prozent rechnen, und die öffentlichen und privaten Dienstleister mit einem Schub von über zehn Prozent. Allein der „hauptstadtbedingte“ Tourismus bringt jährlich 500 Millionen Euro und 9600 Arbeitsplätze.

„Berlin hat an Attraktivität gewonnen; Entwicklungspotenziale aufgrund entscheidender Standortvorteile wurden von Führungskräften der Wirtschaft erkannt“, resümiert das Prognos-Institut in einer Studie zur „Bedeutung der Hauptstadtfunktion für die regionale Wirtschaftsentwicklung in Berlin“. Sie wurde vom Bundesfinanzministerium in Auftrag gegeben. Nicht ohne Hintersinn. Finanzminister Hans Eichel möchte gern wissen, was die Hauptstadt auf Dauer einbringt und was sie kostet. Berlin belastet die Kassen des Bundes und der Länder enorm, solange es wirtschafts- und finanzschwach bleibt. Da freut man sich über jeden Lichtblick, zumal der Senat den Bund auf milliardenschwere Sanierungshilfen verklagen will.

Die Prognos-Studie liefert erstmals harte Fakten über die ökonomischen Wirkungen des haupstädtischen Seins. Schon im Vorfeld des Umzuges hätten die Investitionen und andere Ausgaben zu einer spürbaren Belebung der Wirtschaft geführt, sagt das Forschungsinstitut. Allein diese zusätzliche Nachfrage „auf Zeit“ (10,7 Milliarden Euro von 1995 bis 2004) habe etwa 12 000 Arbeitsplätze jährlich geschaffen oder gesichert. Noch wichtiger seien die dauerhaften Impulse (Nachfrage von Bundesbehörden und -einrichtungen, frisch nach Berlin gezogener Institutionen und von Touristen), die das Berliner Einkommen um 2,4 Milliarden Euro pro Jahr erhöhten. Seit 1999, dem Umzugsjahr, hätten sich die Anschub- und die Dauereffekte segensreich überlagert. Ohne diesen starken Impuls wäre Berlins Wirtschaft – im bundesweiten Vergleich ohnehin schwach – in den vergangenen Jahren dramatisch geschrumpft.

Von 2004 bis 2007 sagt Prognos ein stabiles hauptstadtbedingtes Wachstum von 3,5 Prozent voraus. Nicht alle Branchen haben etwas davon. Das Baugewerbe profitierte vom Ausbau Berlins zur Hauptstadt, der inzwischen aber fast abgeschlossen ist. Jetzt sind das Hotel- und Gastgewerbe, der Handel und die öffentliche Verwaltung an der Reihe. Sie werden auf Dauer die Nutznießer sein. Nur an den Banken, Versicherungen und am verarbeitenden Gewerbe geht die Hauptstadtrolle Berlins laut Prognos-Studie fast spurlos vorbei.

Die Wirtschaftsforscher weisen noch auf andere hoffnungsvolle Entwicklungen hin: Der Ausbau und die Modernisierung des Verkehrs, die vielen Neubauten und die Pflege der Kultur verbesserten die Wettbewerbsposition der Berliner Unternehmen und führten zu neuen Ansiedlungen. Mittlerweile seien zwei Drittel der 30 Aktienunternehmen, die im DAX vertreten sind, mit einer Niederlassung in Berlin vertreten. Große Werbeagenturen, Anwaltskanzleien, Beratungsfirmen, öffentliche Medien und bedeutende Filmunternehmen hätten sich in Berlin angesiedelt. Kulturelle und touristische Angebote nähmen zu. Am Ende gießt Prognos etwas Wasser in den Wein. „Berlin wird nach wie vor stärker als politisches denn als wirtschaftliches Entscheidungszentrum wahrgenommen.“ Finanzsenator Thilo Sarrazin lässt sich von den Ergebnissen der Studie nicht beeindrucken. Die Hauptstadtrolle Berlins habe leider nur einen „Wachstumseinbruch über Gebühr“ verhindern können.

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