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Berlin: Ohne Finanzspritze keine Arzneien

Krankenstation für Obdachlose der Stadtmission kann nur notdürftig arbeiten

„Ich fühle mich hier sauwohl“, sagt Fritze, obwohl sich Krankenpfleger Stephan Lidzba gerade erkundigt hat, wie es seinen angegriffenen Lungen geht. Fritze ist nicht leicht zu verstehen: Er hat nur noch wenige Zähne im Mund, jahrzehntelanger übermäßiger Alkoholkonsum und das Leben auf Parkbänken haben ihm nicht gut getan. Seit 15 Jahren ist der heute 73-Jährige obdachlos. Jetzt sitzt er im warmen Behandlungszimmer der Krankenstation in der Stadtmission an der Lehrter Straße. Dort kuriert er seit drei Wochen eine Lungenentzündung aus. „Mir war es morgens um drei im Tiergarten ein bisschen zu frisch“ – Fritze verharmlost gerne unangenehme Erlebnisse.

Pfleger Stephan sieht ihn besorgt an: „Du konntest kaum noch krauchen, als man dich vom Bahnhof Zoo hergebracht hat.“ Ärztin Barbara Weichler-Köhler, die einmal pro Woche zur Visite kommt, stellte noch eine Krebserkrankung fest.

Wie Fritze leben die meisten Obdachlosen, die in der Krankenstation versorgt werden seit langem auf der Straße und sind abhängig von Alkohol oder anderen Drogen. 22 Betten hat die Station, vier Frauen und zehn Männer werden zurzeit betreut. In der letzten Zeit jedoch stranden immer mehr „Hartz-IV-Verlierer“ dort, wie Pfleger Stephan sie nennt.

Gaby ist eine von ihnen: Die zierliche Frau hat sechs Tage auf der Straße verbracht, dann ist sie zusammengebrochen. Von einer Minute auf die nächste sei sie von einer Gerichtsvollzieherin auf die Straße gesetzt worden, erzählt sie und kämpft mit den Tränen. Sie habe die Miete nicht mehr bezahlen können, weil ihr Antrag auf Arbeitslosengeld II nicht bearbeitet worden sei. Die Schuhe musste man ihr von den Füßen schneiden, so sehr waren sie angeschwollen vom Umherlaufen und dem Schlafen im Sitzen.

„Ohne Krankenversicherung werden die Obdachlosen nur notdürftig versorgt“, erklärt Pfleger Stephan. „Wir haben aber immer zu wenig Geld für Medikamente – besonders gegen Erkältung und für Vitaminpräparate.“ Es fehle an allen Ecken, meistens bleibe man auf den Kosten für Behandlung, Verpflegung und Bahnfahrten zu den Behörden sitzen. Die Sozialarbeiter der Station stellen zwar stets alle notwendigen Anträge ans Arbeitsamt. Bis diese jedoch bearbeitet würden, vergehe viel Zeit. So mancher Antrag verlaufe im Sand, auch weil manche Patienten auf der Straße nicht mehr zu erreichen sind.

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