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Berlin: Ohne Worte

Von Andreas Conrad „Ein Königreich für ein Pferd“, hieß es früher. Darüber kann der moderne Autofahrer nur noch lachen, ist er doch allzu oft bereit, ein ganzes Kaiserreich herzugeben, bekäme er nur endlich einen Parkplatz für seine Pferdestärken.

Von Andreas Conrad

„Ein Königreich für ein Pferd“, hieß es früher. Darüber kann der moderne Autofahrer nur noch lachen, ist er doch allzu oft bereit, ein ganzes Kaiserreich herzugeben, bekäme er nur endlich einen Parkplatz für seine Pferdestärken. So gesehen, war das Platzangebot vor der Bank geradezu fürstlich: Zwei leere Plätze direkt nebeneinander. Er wählte den rechten, ließ links hinreichend Raum – ein Fehler. Denn die Frau, die kurz danach dort einschwenkte, hätte wohl auch lieber rechts gestanden, jedenfalls kam ihr Wagen so nahe an seinem zum Stehen, dass an ein Aussteigen durch die dafür vorgesehene Fahrertür nur unter Risiko eines anschließenden Besuchs beim Orthopäden möglich schien. Aber wozu fuhr er ein Cabrio? Leicht schlängelte er sich auf den Beifahrersitz, von dort war das Verlassen des Fahrzeugs ein Kinderspiel. Die Parkplatznachbarin konnte er damit freilich nicht beeindrucken. Seine Nöte, die sie doch verursacht hatte, waren gewiss registriert worden, schon legte er sich, ihre Worte des Bedauerns im Geiste vorwegnehmend, eine spielerische Antwort zurecht. Doch es kamen keine Worte. Es kam gar nichts. Sie ging.

Wenige Tage später stand er wieder vor einer Bank, diesmal war der Parkplatz leer. Aus Bequemlichkeit ließ er die Tür offen, es waren ja nur ein paar Schritte. Wieder rollte ein zweiter Wagen heran, schwenkte zielsicher ausgerechnet neben seinem ein. Im Schalterraum traf man zusammen. Die Fahrerin sah Anlass zur Klage: „Fast hätte ich Ihre Tür abgefahren.“ Er seufzte und ging. Ohne Worte.

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