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Berlin: Olympische Eisbrecher

Beim Eishockey-Turnier der Berliner Initiative „Kick“ bekommen die Jugendlichen Besuch von drei Goldmedaillengewinnern

Das Spiel zwischen den Treptower Eisadlern und den Lichtenberger Icebulls ist gerade erst beendet, da betreten drei seltsame Gestalten das Spielfeld in der Eishalle in der Paul-Heyse-Straße. Dass es sich bei den Besuchern nicht um begabte Eisläufer handelt, ist den etwa 100 Jugendlichen schon nach den ersten Schritten klar. Hatten sich da einfach nur drei Helfer mutig ausgerüstetet mit Eishockey-Schlägern, Schlittschuhen und Puck auf die Eisfläche gewagt? Aber warum dann diese vielen Kameras, und das ganze Blitzlicht?

David, 17 Jahre alt, ist sich nicht ganz sicher: „Also, ich weiß jetzt nix über die, aber wenn sie bekannt sind, habe ich sie bestimmt schon einmal im Fernsehen gesehen.“ So wie dem Spieler der Marzahner Pinguine geht es vielen Jugendlichen an diesem Samstagabend. Sie wissen nicht, dass es sich bei den dreien um Legenden handelt, Sportler, die Großes geschafft haben. Sergej Bubka, Sebastian Coe und Nawal El Mutawakel sind nämlich allesamt Olympiasieger.

Doch die Jugendlichen haben sich nicht in der Halle im Prenzlauer Berg eingefunden und sich in volle Montur geworfen, um fundierte Sportkenntnisse zum Besten zu geben. Sie sind gekommen, um ein Eishockey-Turnier zu spielen, insgesamt sechs Teams mit jeweils sechs Spielern. Dass ihnen dabei so prominente Sportler zusehen, hat einen Grund: Die Veranstaltung ist ein Projekt namens „Kick on Eis“; es soll jungen Menschen aus sozial schwierigen Bezirken Berlins die Möglichkeit bieten, mit Sport die Langeweile zu besiegen. Viele der Teilnehmer sind schon einmal mit dem Gesetz in Konflikt geraten, manche sogar öfter. Ihr Alltag in den sozialen Brennpunkten der Stadt besteht oft aus Gewalt, Drogen und Kriminalität. Deshalb hat sich Hans-Joachim Lazai vor zwölf Jahren überlegt, ein Projekt ins Leben zu rufen, das Alternativen zu einem tristen, kriminellen Leben bieten kann. „Ich habe mich als Kriminalbeamter 40 Jahre lang mit Jugendlichen beschäftigt und immer den Menschen und nicht die Akte sehen wollen“, sagt der Begründer der 1991 ins Leben gerufenen Initiative Kick. „Kick ist ein übergeordnetes Projekt, das mit vielen Einzel-Veranstaltungen Jugendliche an sportliche Aktivitäten heranführen soll. Deshalb wäre es toll, wenn wir vier statt nur dieser einen Eiszeit bekommen könnten, um so einen Abend jede Woche zu veranstalten“, sagt er. Aber er ist schon sehr glücklich darüber, dass sich die Sport for Good Foundation diesem Projekt widmet und es unterstützt. Die Stiftung gehört zur Laureus Sports Academy, die von den Firmen Daimler-Chrysler und Richemont ins Leben gerufen wurde. „Und so passiert es, dass so große Sportler wie heute dabei sind und das Ganze unterstützen“, sagt Lazai, während hinter ihm ein spitzer Schrei und Gelächter zu vernehmen ist: Nawal El Mutawakel, die marokkanische 400-m-Hürden-Olympiasiegerin von 1984, ist auf ihrem Hinterteil gelandet und versucht verzweifelt, sich am Bein von Sergej Bubka wieder hochzuziehen.

Die beiden, wie auch 1500-m-Olympiasieger Sebastian Coe, sind Mitglieder der Laureus Sports Academy, deren Botschafter allesamt Legenden des Sports sind und Aufgaben bei Hilfsprojekten rund um den Erdball übernehmen. „Diese Projekte sind eine Möglichkeit für Kinder, etwas Sinnvolles zu tun, und sie zeigen ihnen, dass es Leute gibt, die sich um sie kümmern“, sagt der Brite Coe und ergänzt: „Der Sport muss seine Geschichte in die Welt hinaustragen.“ Und während Sergej Bubka, ganz Gentleman, El Mutawakel auf die Beine hilft, sagt der frühere Stabhochsprung-Olympiasieger, der mittlerweile ein Mandat im ukrainischen Parlament hat: „Jugendliche ohne Perspektive sollen Sport genießen, ihr Leben durch den Sport verändern.“

Ob die Jugendlichen mithilfe dieser Projekte wirklich bessere Menschen werden, ist unklar, aber sie wissen nach diesem Abend, dass Nawal El Mutawakel besser Hürden nimmt, als Schlittschuh läuft.

Ozan Sakar

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