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OP-Skandal: Chirurg als Nebenjob?

Der Abschlussbericht der Senatsverwaltung für Gesundheit zum Knieprothesenskandal im St.Hedwig-Krankenhaus konstatiert eklatante Mängel und Versäumnisse. Auch die kassenärztliche Vereinigung Berlin erhebt schwere Vorwürfe.

Im St. Hedwig-Krankenhaus in Berlin-Mitte haben drei Ärzte zwischen Mai 2006 und März 2007 insgesamt 47 Patienten so genannte "Knieendoprothesen" falsch eingesetzt. Diese wurden fälschlicherweise ohne Zement implantiert. Mitarbeiter hatten die Aufschrift auf den Prothesen fehlerhaft übersetzt und als zementfrei eingeordnet, statt zementpflichtig. Fünf Monate nach den fehlerhaften Implantationen informierte der Träger des Krankenhauses die Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz, die den Fall untersuchte.

Im Abschlussbericht, der Tagesspiegel.de vorliegt, macht die Senatsverwaltung zwar "eine unglückliche Verkettung ungünstiger Umstände" aus, spricht aber auch von "erheblichen Versäumnissen", die mitunter die operierenden Ärzte betreffen. Aber auch der Hersteller der Prothesen steht in der Kritik.

Zusammenhang mit der Einführung eines neuen Produktes

Denn die fehlerhaften Implantationen stünden im Zusammenhang mit der Einführung eines neuen Prothesenproduktes, pikanterweise im Mai 2006, also zu dem Zeitpunkt, als die fehlerhaften Implantationen begannen. Die Kennzeichnung auf der Verpackung der neuen Prothesen wich von den bisher bestellten ab. Zwar habe die Herstellerfirma das Klinikpersonal eingewiesen, doch gibt es keine Dokumentation davon, kritisiert der Bericht. Eine Vertreterin der Firma habe einer leitenden OP-Schwester gesagt, dass das Produkt auch zementfrei einsetzbar sei.

So kam es zu einer fatalen Lagerung der Prothesen. Oben auf den neuen Produkten stand "non modoular cemented", statt wie bisher "porous". Lediglich auf der Bodenfläche war der klare Hinweis "for cemented use only" zu lesen. In den Regalen war dieser Hinweis am Boden der Verpackung jedoch nicht mehr sichtbar.

"Erhebliches Versäumnis" der Ärzte

Trotzdem hätte es nicht zu einer falschen Implantation kommen dürfen, da der operierende Arzt das Letztentscheidungsrecht hat und angewiesen ist, die Verpackung noch einmal zu überprüfen. Der Abschlussbericht weist darauf hin, dass die Ärzte sich offensichtlich darauf verließen, dass das Produkt, das ihnen in die Hand gegeben wurde, auch das richtige sei. Der Bericht nennt das ein "erhebliches Versäumnis".

Das gleiche Versäumnis kann für die Nachbestellung des falschen Produktes festgestellt werden. Dabei wurde offensichtlich über Monate hinweg ein Aufkleber auf der Verpackung der gerade verwendeten Prothese auf den Bestellschein geklebt - und dabei immer das falsche Produkt geordert.

Die betroffenen Mediziner arbeiten weiter

Dem St. Hedwig Krankenhaus stellt der Bericht insgesamt gute Noten im Umgang mit den Vorfällen aus. Dieses habe sich um die betroffenen Patienten gekümmert, das Qualitätsmanagement umgestellt, externe Prüfer ins Haus geholt und die Ärzte entlassen. Diese hätten allerdings bald Stellen in anderen Berliner Krankenhäusern angetreten, so ein Sprecher.

Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) kritisiert dabei, dass die Mediziner keine Genehmigung für derartige Operationen haben und von der KV auch nicht bekommen hätten. Sie würden deren Qualitätsstandards nicht entsprechen. Seit dem Vertragsgesetz vom 1. Januar diesen Jahres ist die aber gar nicht mehr nötig, die Ärzte schließen direkt einen Vertrag mit dem Krankenhaus, das sich um die Einhaltung der Qualitätsstandards kümmert. "Hauptberuflich" seien die Mediziner jedoch weiterhin als niedergelassene Ärzte tätig, kritisiert die Kassenärztliche Vereinigung.

Michael Stürzenhofecker

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