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Berlin: Open-Air-Festival: Reif für die Insel

Es ist der große Kulturerfolg dieses Sommers: Noch bis September dauert das Open-Air-Festival auf der Museumsinsel, und es hat in den vergangenen drei Monaten mehr als 50 000 Besucher angezogen. Das teilten die Veranstalter am Wochenende mit.

Es ist der große Kulturerfolg dieses Sommers: Noch bis September dauert das Open-Air-Festival auf der Museumsinsel, und es hat in den vergangenen drei Monaten mehr als 50 000 Besucher angezogen. Das teilten die Veranstalter am Wochenende mit. Etliche der rund 200 Konzerte, Theaterveranstaltungen und Filme waren ausverkauft. Alleine am Freitagabend wollten mehr als 1700 Zuschauer den Schauspieler Ben Becker sehen, der Gedichte von Klaus Kinski las. Die Beteiligten ziehen eine positive Zwischenbilanz. "Wir sind überwältigt vom Erfolg", sagt Veranstalter Tobias Hackel. "Die Berliner haben die Museumsinsel neu entdeckt." Kommendes Jahr soll das vor einem Jahr begonnene Erfolgsmodell fortgesetzt werden.

Immer, wenn die Sonne untergeht, beginnt das zweite Leben der Museumsinsel. Dort, wo tagsüber vor allem Touristen in die Kulturtempel strömen oder die wegen Sanierung geschlossenen Gebäude von außen besichtigen, flanieren am Abend jetzt immer häufiger auch Berliner. "Der ganze Ort hat sich verwandelt", sagt Frank Scholze von den Besucherdiensten der Staatlichen Museen bei einem Rundgang zwischen Lustgarten und Kupfergraben. "Vor zwei Jahren war hier nur bis 18 Uhr etwas los, und auch an noch so schönen Sommerabenden herrschte absolute Ruhe." Dann kam man vergangenes Jahr auf die Idee, während der langjährigen Umbauzeit der Museen eine Veranstaltungsreihe ins Leben zu rufen. Mit unerwartetem Erfolg.

Wer zum ersten Mal dabei ist, den erkennt man am Liegestuhl. Genauer: Daran, wie er oder sie den Liegestuhl aufklappt. Hunderte dieser Sitzmöbel liegen jeden Abend auf dem Rasen vor der Alten Nationalgalerie bereit, um von den Zuschauern aufgeklappt zu werden. Die Neuen machen erstmal alles falsch. Statt der Armlehne klappen sie das Fußteil hoch, und schon verweigert der Stuhl die weitere Entfaltung. Oft vergehen quälende Minuten, bis der richtige Dreh gefunden ist. Die erfahreneren Besucher sitzen derweil grinsend in ihren korrekt aufgebauten Liegestühlen. Sie lehnen sich zurück und genießen die unfreiwilligen Slapstick-Einlagen der Neulinge vor der spektakulären Kulisse von Nationalgalerie, Neuem Museum und Pergamonmuseum.

So bestuhlt feiern die Menschen zwischen den alten Gemäuern an fast jedem Abend ein Mini-Woodstock - inklusive Decken gegen die Abendkälte, Dosenbier und Picknikkorb. Scholze hat gemeinsam mit den Veranstaltern das Programm zusammengestellt und dabei Wert auf die richtige Mischung gelegt, auf das "Cross-over" zwischen den Kulturen. Er zeigt sich beglückt, wenn dann zum Beispiel ein Film wie "Time of the Gypsies" unter dem Nationalgalerie-Portal mit dem Schriftzug "Der Deutschen Kunst" gezeigt wird: "Da trifft Weltkultur auf steinernes Weltkulturerbe." Die meisten Veranstaltungen finden vor der Alten Nationalgalerie statt, aber auch alle anderen Gebäude werden für einzelne Abende zur Kulisse. Im Schnitt kommen nach Museums-Angaben täglich mehr als 500 Besucher.

"Die Insel ist zu neuem Leben erwacht", schwärmt der Student Daniel Philipp, während er es sich in seinem Liegestuhl bequem macht. Der 26-Jährige Energietechniker ist regelmäßig hier. "Ich liebe dieses Ambiente", sagt er und zeigt auf die Freitreppe der Alten Nationalgalerie, die hinter der kleinen Bühne emporragt. "Die Gegend ist von einem Ort für Touristen wieder zu einem Ort für Berliner geworden." Axel und Heike Küchen lockt die spezielle Mischung hierher: "Wir kommen wegen der Architektur, der frischen Luft und wegen des unkonventionellen Programms", sagen die Eheleute aus Wilmersdorf. "Endlich ist die Insel wieder in das tägliche Leben der Metropole einbezogen", sagt er, und sie ergänzt: "Früher war der Ort steril und morbide, jetzt wirkt er viel offener und leichter."

"Die Wahrnehmung der Museumsinsel und ihrer Gebäude hat sich nachhaltig geändert", hat auch Veranstalter Matthias Merkle beobachtet. Er leitet das Theaterprogramm "Götterleuchten", das die Besucher an außergewöhnliche Orte lockt. So wurden das in der Renovierung steckende Neue Museum und der Keller des Pergamonmuseums zu Spielstätten. An diesem Wochenende hatte Merkles Stück "Kleists Amphitryon in Concert" Premiere: Im Stile eines Rockkonzerts auf dem Ehrenhof des Pergamonmuseums. "Wir verändern den Blickwinkel der Besucher auf diese Gebäude", sagt Merkle. "Plötzlich nehmen die Menschen zum Beispiel den Ehrenhof als eigenständigen Ort wahr - nicht nur als Schleuse, durch die man ins Museum kommt." Kommendes Jahr soll das Festival in ähnlichem Umfang fortgesetzt werden, kündigt Projektleiter Frank Scholze an. "Das ist eine zeitgemäße Art, den Ort mit Leben zu füllen."

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