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Berlin: Orient am Brandenburger Tor

Beim türkischen Begegnungsfest feierten Tausende trotz Regens

Sie nutzten die türkische Fahne als Kopftuch und Umhang, sie hielten den weißen Halbmond auf rotem Grund an der Fahnenstange hoch in den Wind – und als der nächste Schauer kam, hockten sie unter den Tüchern, bis die Sonne wieder hervorkam: Vor allem junge Berliner Türken kamen gestern zum sechsten Europäisch-Türkischen Kulturfest vor dem Brandenburger Tor. Mehrere tausend Besucher verwandelten die Straße des 17. Juni bis zum Sowjetischen Ehrenmal für ein paar Stunden in einen Neuköllner Kiez.

„Orient trifft Okzident“ hieß das Motto des von der Türkischen Gemeinde veranstalteten Begegnungsfestes. Die Türken blieben aber meist unter sich, deutsche Gäste bummelten nur vereinzelt zwischen den recht einfallslosen Ständen mit Orienttees, Döner oder Bauchtanzrequisiten hindurch. Doch auch türkische Besucher kamen wegen des Regens in kleinerer Schar als im vergangenen Jahr.

Sie drängelten sich vor der Showbühne am Tor, jubelten den einheimischen Rock, Pop- und Folkoresängern mit ihren Halbmondflaggen zu – und irritierten damit manche deutschen Besucher, die eher zufällig ins Fest geraten waren. „Ist das nicht ein bisschen zu viel Nationalbewusstsein?“ fragten sie und diskutierten mit jungen Türken. „Keineswegs“, konterten Hakon und Erkan aus Neukölln, beide 17 Jahre alt und in Berlin geboren: „Wir sind stolz auf unser Land.“ Wenigstens einen Tag lang könnten sie auch an Berlins Wahrzeichen freimütig als Türken feiern und sich wie in Neukölln oder Wedding unter Landsleuten wohlfühlen. „In Charlottenburg fühlen wir uns noch immer unter Deutschen ausgeschlossen.“

Gestern waren die Vorzeichen eher umgekehrt. Und das lockte auch einige rechtsextreme Jugendliche der Organisation „Graue Wölfe“ (MHP) ans Tor. Sie skandierten nationalistische Parolen, wurden aber von ihren Landsleuten in die Schranken gewiesen. „Wir wollen hier keine peinlichen Szenen“, rief ihnen Emre Özlan von seinem Würstchenstand zu. Immerhin hatte der SPD-Bundesvorsitzende Kurt Beck die Schirmherrschaft des Festes übernommen. CS

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