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Berlin: Orte und Worte

Spree-Athen wegen der Kunst, Sparta fürs Schlichte Wie Berlin an seine griechischen Beinamen kam

Die Liste der Lobsprüche auf Berlin ist lang. Vieles ist natürlich übertrieben, aber wenn man weiß, dass Verfassern von Schmeicheleien früher fürstliche Huld und manche Belohnung winkten, dann erklärt sich der Überschwang von selbst. So verhält es sich auch mit dem Begriff „Spree-Athen“, der vor genau 300 Jahren geprägt wurde.

Damals wollten die Hohenzollern, dass man in ihrer Haupt- und Residenzstadt eine glänzende Metropole sehe, und obwohl Wunsch und Wirklichkeit auseinander klafften, ließen sie poetische Vergleiche verbreiten. Darunter: „Spree-Athen“ und „Sparta des Nordens“. Die eine erinnert daran, dass Berlin im frühen 18. Jahrhundert unter dem ersten Preußenkönig Friedrich I. ein Hort der Gelehrsamkeit und Musen war, ähnlich der altgriechischen Metropole Athen. Und Sparta sollte an das Nützliche und Einfache bei den Spartanern erinnern, die der Soldatenkönig Friedrich I. zur Norm machte.

Erfunden wurde „Spree-Athen“ 1706 von einem märkischen Poeten namens Erdmann Wircker. Er verstieg sich in einem Buch zu Ehren des als „preußischer Augustus“ verherrlichten König Friedrich I. zu folgender These:

„Die Fürsten wollen selbst in deine Schule gehen, / Drumb hastu für sie ein Spree-Athen gebaut.“

Die Stadt war zwar Sitz zweier von jenem Friedrich gegründeter Akademien und besaß ein Schloss, aber sonst war dieses Spree-Athen von eher kleinstädtischem Zuschnitt. Zudem stapelte sich in der Stadt der Unrat, gegen den die Hohenzollern mit immer neuen Dekreten vorzugehen versuchten. Ganz anders Athen! Die Akropolis-Stadt war seit der Renaissance Inbegriff von Stärke, Weisheit und Kultur. Das viel prächtigere Rom dagegen wurde als irgendwie ungesund und zum Sterben verurteilt angesehen. Außerdem hatte es in der nicht-katholischen Welt als Machtzentrum der Papstkirche keinen guten Namen.

Als nach dem Thronwechsel von 1713 der prügelwütige Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. mit harter Hand in Berlin und Preußen regierte, war von Spree- Athen keine Rede mehr. Das Land und seine Haupt- und Residenzstadt verwandelten sich in eine große Kaserne. So wurde der Begriff „Sparta des Nordens“ erfunden, um an die harten Drill- und Erziehungsmethoden zu erinnern und die sprichwörtlich einfache Lebensweise im antiken Sparta auf den Punkt zu bringen.

Mit Friedrich II., der 1740 seinen Vater beerbte, schlug das Pendel zurück. Zwar war auch der neue Preußenkönig auf militärischen Ruhm erpicht, doch trat er auch als Förderer der Musen in Erscheinung, spielte die Flöte, gab großartige Bauten in Auftrag, holte Künstler und Gelehrte ins Land, korrespondierte mit bedeutenden Persönlichkeiten und verfasste Bücher. Doch als der französische Philosoph Voltaire bei ihm weilte, bemerkte der den Zwiespalt zwischen Kultur und Geist auf der einen und Krieg und Waffen auf der anderen Seite. „Es gibt hier ungeheuer viel Bajonette und sehr wenig Bücher“, bemerkte Voltaire: „Der König hat Sparta stark ausgeschmückt, aber Athen hat er in seinem Kabinett untergebracht.“

In der Barockzeit wurde das Beinamenprinzip „Fluss plus Athen“ recht erfolglos an anderen Orten erprobt: Pleiß-Athen, Saal-Athen und Elb-Athen umschrieben die Universitätsstädte Leipzig, Halle und Wittenberg. Sogar ein Ilm-Athen für Weimar kam vor. Hingegen wird der in schmeichlerischer Absicht für die reiche, prächtige kursächsische Landeshauptstadt Dresden erfundene Begriff Elbflorenz bis heute benutzt.

Helmut Caspar

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