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Berlin: Ortsgeschichte statt Folklore - das ehrenamtlich geführte Museum ist nicht von gestern

Heimatvereine müssen oft gegen das Vorurteil ankämpfen, dass sie etwas für Leute von gestern sind. "Das sind wir ganz und gar nicht.

Heimatvereine müssen oft gegen das Vorurteil ankämpfen, dass sie etwas für Leute von gestern sind. "Das sind wir ganz und gar nicht. Schon gar nicht im Kopf", sagt die stellvertretende Vorsitzende des Zehlendorfer Vereins, Angela Grützmann. Um geselliges Beisammensein geht es weniger im Zehlendorfer Heimatverein. Im Mittelpunkt steht die Ortsgeschichte: Ausstellungen und Veranstaltungen müssen organisiert, das umfangreiche Archiv verwaltet, und Schriften wie das Jahrbuch, die Zehlendorfer Chronik und die Heimatbriefe herausgegeben werden. Bloß heute um 19 Uhr wird eine Ausnahme gemacht: Denn da feiert der Verein sein 50-jährigen Bestehen.

Ansonsten bleibt den Mitgliedern kaum Zeit, "rumzusitzen und uns selber zu pflegen", sagt Angela Grützmann. Da ist zuallererst das Museum, das vom Verein ehrenamtlich geleitet wird (wie sonst übrigens nur in Steglitz, alle anderen Berliner Heimatmuseen sind kommunal). Das Museum befindet sich im "historischen Winkel": an der Clayallee Ecke Potsdamer Straße. Geschützt von den ausladenden Ästen der Friedenseiche von 1871, liegt zur linken die Dorfkirche von 1768. Rechts daneben schließt sich das kleine, ehemalige Schulhaus von 1828 an, in dem sich Museum und Archiv befinden. An zwei Tagen in der Woche (montags und donnerstags von 16 bis 19 Uhr) wird in drei Räumen die Ortsgeschichte bis zur Eingemeindung nach Groß-Berlin, gezeigt: alte Mikroskope und andere Instrumente stehen für den Wissenschaftsstandort, Stifte, Mappen und Fibeln erzählen vom Schulleben vor hundert Jahren, ein Dorfmodell zeigt Zehlendorf um 1819, im Kaiserzimmer ist der Zylinder des "Eisernen Gustavs" zu bewundern.

Ein weiterer Raum ist Wechselausstellungen vorbehalten, zur Zeit läuft "Unsere Amis - Die Amerikaner in Zehlendorf 1945 bis 1994". Für eine vollständige Darstellung der Historie ist kein Platz, was wiederum den Vorteil hat, dass jeder Besucher sein eigenes Wissen oder seine Erinnerungen einbringen kann - oder fragen muss. Und das lohnt sich, denn Museums-Kustos Benno Carus kann zu jedem Stück eine kleine Geschichte erzählen. Zum Beispiel über die Kanonenkugel von 1813, die Napoleon hinterher geschossen wurde. Doch die Kugel flog durch das Dach des Müllers und plumpste in die Suppenschüssel. Verletzte gab es nicht.

Im ersten Stock des Hauses befindet sich das Archiv: Fotos, Postkarten, und noch nicht sortierte Nachlässe. "Die Abstellkammer lassen wir lieber zu," sagt Angela Grützmann - jeder Winkel ist voll gestellt. Neben Bücherkisten steht ein altes Grammophon und ein Infanteriegewehr. "Wir haben zu wenig Platz", stellt Carus fest. Auch an Mithelfern mangelt es. Zwar hat der Verein 300 Mitglieder, aber aktiv ist nur ein kleiner Teil. "Wir freuen uns immer über neue Leute", sagt Grützmann, "auch über Bonner. Die sind so ein kommunikatives Völkchen."

Simone Bartholomae

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