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Ein Denkmal erinnert an den kommunistischen Widerstand in der Griechischen Allee in Berlin-Oberschöneweide. Die hieß früher Rathausstraße - auch ohne Rathaus.

© Georg Moritz

Ortstermin zur Krise in Berlin: Griechische Verhältnisse in der Griechischen Allee

Die Griechische Allee ist das Zentrum von Oberschöneweide. Doch die Gegend ist auch ohne Griechen arm - allerdings reich an Vorurteilen. Ein Rundgang.

Warum heißt das hier Griechische Allee? Die blonde Raucherin mit Hund, Frau Müller, weiß es nicht, die Apothekerin auch nicht, der Chefredakteur vom Tours-Magazin, der gerade in der Apotheke einkauft, auch nicht, der Elektriker, an seinem defekten chinesischen Massenfabrikats-Roller herumfummelnd, auch nicht. Niemand weiß hier, warum die Straße so heißt, wie sie heißt. Und das mitten in der Griechenland-Krise.

Raimond Knoll trägt sein Hemd offen, es ist heiß, wie am Strand von Rhodos. Knoll ist Schauspieler und Filmproduzent, er wohnt hier bei seiner Freundin und am Müggelsee. Ihm geht es gut, den Griechen nicht, aber Mitgefühl kann er trotzdem nicht so richtig aufbringen. „Die zahlen ja keine Steuern da.“ Er weiß das, hat sieben Mal Urlaub gemacht. „Wissen Sie, warum dort kein griechisches Haus fertig wird? Damit sie keine Steuern zahlen brauchen. Die wohnen im ersten Stock und unten ist Baustelle.“ Trickserei, Korruption... Knoll hat kein Vertrauen mehr in die Griechen.

Und man kann sagen, dass es vielen Bewohnern der Griechischen Allee ähnlich geht. Das Rentnerpaar, das hinter üppigen Balkonblumen hervorlugt, äußert sich nur ungern zum Thema. Dafür aber deutlich. „Die Griechen können nicht wirtschaften, kriegen nur wieder Geld reinjestopft, hält auch nicht lange“, sagt sie. Er, im Hintergrund, ist für einen Grexit à la Schäuble. Sie: „Das Geld sollte man lieber in Kindergärten und Schulen stecken, ist meine Meinung, als Deutsche.“

Warum heißt das hier Griechische Allee? „Keene Ahnung.“

Im „Spätkauf am Park“, dem Griechischen Park, sitzt eine verträumte Schülerin aus Lichtenberg und wartet auf Kunden. Ob sie was sagen möchte zur Griechenland-Krise. „Setz’ mich damit gar nicht auseinander.“ Und die Kunden? Die auch nicht, sind vor allem Kinder, sagt sie. Und arme Leute. „Viele haben kein Geld hier.“

Die Apothekerin nennt die Bewohner „Proletarier“. Früher gab es noch Arbeit, 40 000 Jobs im DDR-Industriezentrum an der Wilhelminenhofstraße, das ganz früher mal der AEG-Konzern war. Jetzt arbeiten Künstler und Studenten in den Industriehallen. Und die ehemaligen Arbeiter kassieren Stütze.

Es war mal die Rathausstraße - aber für ein Rathaus hat es nie gereicht

Für 750.000 Euro hat der Bezirk den Marktplatz vor einigen Jahren umgestaltet. Gefördert von der EU. Damit sollte das Zentrum von Oberschöneweide wieder lebendiger werden, ein geselliger Treffpunkt mit Wall-Toilette. Eine Fehlinvestition. Der Markt, den es hier vorher gab, ist verschwunden, auf den Betonbänken sitzt selten jemand.

Ganz früher hieß die Griechische Allee mal Rathausstraße, doch zum Rathaus hat das Geld in der „Landgemeinde Oberschöneweide“ nie gereicht, deshalb wurde die Straße umbenannt.

„Gab schon bessere Zeiten in der Griechischen Allee“, sagt der Chefredakteur. Die Apothekerin nickt. Viele Geschäfte und Handwerker seien nach der Wende abgewandert. Jetzt gibt es noch den Spätkauf, eine türkisch geführte Bäckerei und das Mega Bistro.

Sind Sie Grieche? Der Wirt im Bistro, ein Mann mit dunklem Teint, lacht. „Ich bin syrischer Kurde, vor drei Jahren vorm Krieg geflohen, bin froh, hier zu sein. Für Griechenland interessiere ich mich nicht.“ Sein Chef unterbricht das Gespräch. Interviews in der Arbeitszeit mag er nicht.

Hans – gelbe Sonnenbrille, gelbes Shirt – hat dagegen immer Zeit, er sitzt auf der Bank im Park und futtert Eis. Er wurde vom Amt nach Oberschöneweide geschickt, war zuvor dreimal in der Psychiatrie. Hans fühlt sich verfolgt und abgehört. Die Gegend sei gefährlich, meint er und sieht sich um, viele Drogenjunkies. Er selbst sei clean, „bin pleite“. Wie die Griechen.

„Die Griechen halten mal nicht die Fresse wie die Deutschen, sondern leisten Widerstand, sagen, ihr habt uns die letzten Jahre abhängig gemacht, vom Euro, die sind ja gesellig, geben das Geld aus, sparen nicht wie die Deutschen ...“ Hans erzählt noch viel mehr.

Am südlichen Ende der Griechischen Allee steht eine Steinsäule zum „Gedenken an die Widerstandskämpfer aus Oberschöneweide“. In den AEG-Fabriken hatte die illegale KPD ihr Refugium. Tausende Zwangsarbeiter arbeiteten im Krieg hier, viele kamen bei Luftangriffen ums Leben.

Frank Schmidt, Zeitungsverkäufer, macht vor dem alten Postamt Zigarettenpause. Kraftfahrer sei er gewesen, sagt er, 40 Jahre gearbeitet. „Gibt zu wenig Geld für Rentner.“ Und zu viel Armut. In Deutschland. „Die Griechen sind selbst schuld“, findet er.

Übrigens wurde die Rathausstraße 1937 umbenannt. „Das faschistische Deutschland huldigte einem seiner Bündnispartner“, heißt es bei Wikipedia. Die Griechen galten in der NS-Zeit zunächst als „tapfer und edel“, später nicht mehr. Im Griechischen Park steht die Statue „Venus und Amor“ aus dem Jahr 1925.

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