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Sanierungsbedürftig. Nach vielen Konzerten fanden hier in letzter Zeit vor allem Freiluftkinoveranstaltungen statt. Foto: Imago/Scherf

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Pankow: Betreiber für Freilichtbühne Weißensee gesucht

Helge Schneider, Karat und die Puhdys spielten schon am Weißen See Nun werden neue Betreiber für die Arena gesucht – kein einfaches Unterfangen.

Unkraut wuchert aus dem Boden zwischen den alten Sitzbänken. Vom Kassenhäuschen platzt der blaue Lack ab, die hölzernen Lichtmasten sind verwittert. Die von Bäumen umschlossene Freilichtbühne am Weißen See bröckelt vor sich hin, idyllisch und verkommen zugleich. Veranstaltungen gibt es kaum noch. Im Sommer ist ein paar Mal Freiluftkino, selten andere Veranstaltungen. Nun sucht der Bezirk Pankow einen neuen Betreiber für das denkmalgeschützte Ensemble – das allerdings von einigen lärmempfindlichen Nachbarn umgeben ist.

„Es soll mehr kulturelles Leben stattfinden“, sagt Torsten Kühne (CDU), Stadtrat für Kultur, Umwelt und Ordnung. Die Freilichtbühne solle als Kulturstandort erhalten bleiben. Zu DDR-Zeiten spielten dort Ost-Stars wie Silly, Karat und die Puhdys, auch Helge Schneider, Nina Hagen und Roger Chapman traten hier auf. Bis 1993 wurden über 30 Jahre lang Spielfilme gezeigt. 1994 bekam die Bühne ihr charakteristisches Dach. Die „Taschenlampenkonzerte” der Band Rumpelstil nahmen da 1998 ihren Anfang. Seit 2004 betreiben die Macher des Kino Babylon am Rosa-Luxemburg-Platz in Mitte die bezirkseigene Fläche in Weißensee. Bis zum 10. August können Interessenten dem Bezirk ihr Konzept schicken.

Die Weißenseer wünschen sich, dass dort mehr geschieht. Heilerziehungspflegerin Jacqui, 28, möchte Mitmachtheater für Kinder und einen Kinderzirkus. „So ist es nicht genutzter Raum“, sagt sie. Das findet auch Reiner Plötz, er wohnt in der Großen Seestraße. „Kino, Konzerte, ein bisschen belebend, sonst ist das hier ja Totentanz“, sagt er. Immer mehr junge Familien zögen in die Gegend. Als Ost-Stars wie Silly und Karat auf der Bühne standen, blieb er dennoch zu Hause. „Ich habe mit einem Kumpel auf dem Balkon gesessen und wir haben mitgesungen“, sagt er. Von den paar Veranstaltungen auf der Bühne fühlt er sich nicht gestört. „Und nach 22 Uhr war es immer ruhig“, sagt er. Florian, zwölf, mag es laut. „Punkrockkonzerte wären spitze“, sagt er.

Doch laute Konzerte von Rockstars werden die Ausnahme bleiben. „Das wird zunehmend schwieriger wegen des Lärmschutzes. Lärm ist wegen der Wohnbebauung ein großes Thema“, sagt Stadtrat Kühne. Die ersten Wohnhäuser stehen ein paar Meter entfernt in der Großen Seestraße. Einzelne Nachbarn klagten bereits bei geringen Lautstärkeübertritten. Auch seine Nachbarn mögen es ruhiger, sagt Nick Klaua, 22. Er selbst wünscht sich mehr Veranstaltungen. „Das ist eine so schöne Bühne, so was gibt es nicht so oft.“ Am Wochenende störe es niemanden, auch wenn es mal lauter werde.

Die jetzigen Betreiber wollen sich zum Thema Lärm nicht äußern. Bereits jetzt ist die Anzahl der Veranstaltungen im Jahr begrenzt, sagt Stadtrat Kühne. Erlaubt sind 60 sogenannte „wenig störende Veranstaltungen“, also wenn die Lautstärke am Haus des nächsten Anwohners 60 Dezibel nicht überschreitet. In der Zeit von 22 bis 6 Uhr morgens dürfen es sogar nur 45 Dezibel sein. Laut Lärmskala ist bereits eine normale Unterhaltung 50 Dezibel laut. Und „störende Veranstaltungen“, wozu Konzerte zählen, dürfen nur 18 Mal im Jahr stattfinden. Selbst hier ist die Dezibelzahl auf 70 vor und 55 nach 22 Uhr begrenzt. Aufgrund der Nähe zu den Wohnhäusern ist nahezu jeder Applaus des Publikums zu laut. „Das sind sehr restriktive Einschränkungen“, sagt der Stadtrat und spricht deswegen eher von Kino und Theater als von Konzerten.

Neuer Ärger könnte programmiert sein: Südlich der Großen Seestraße, fünf Meter vom Bühneneingang entfernt, entstehen derzeit drei Gebäude mit mehr als 40 Eigentumswohnungen und Quadratmeterpreisen zwischen 2800 und 3400 Euro. Geplanter Einzug ist Mitte kommendes Jahres. Auf dem im Osten angrenzenden verwilderten Grundstück Große Seestraße 8 bauen die Entwickler von „Gulliver Projekte“ einen modernen Neubau mit Eigentumswohnungen, die Quadratmeterpreisen liegen zwischen 2600 und 3000 Euro, sagte Geschäftsführer Manuel Schottmüller. Baubeginn ist im Frühjahr. Bereits in den kommenden Wochen wird die alte Villa in der Mitte des Grundstückes abgerissen, bis 2005 war dort eine Kita untergebracht. Im Spätsommer beginnen die Bauarbeiten für eine neue Kita mit 140 Plätzen. Die Kinder haben dann einen fast 3000 Quadratmeter großen Garten, der im Süden fast bis an den Weißen See reicht. Ärger mit der Freilichtbühne befürchtet Schottmüller nicht. „Es gibt doch klare Nutzungsbedingungen.“ Und die Kaufinteressenten kläre man darüber auf.

Der Sanierungsbedarf des 1955 errichteten Ensembles ist unklar. Schon jetzt sind nicht mehr alle der 2500 Plätze nutzbar, und in Anbetracht des Lärmschutzes müsste der neue Betreiber vor allem in die Tonanlage investieren, vermutet Stadtrat Kühne. Bei der Vergabe der Bühne habe man aber keinen Zeitdruck. Der Bezirk wollte sie schon einmal loswerden und 2008 an den Liegenschaftsfonds verkaufen. Das Geschäft kam nie zustande, weil der Bezirk auf einer kulturellen Nutzung bestanden hatte. Nun soll das Kleinod per Erbbaurechtsvertrag langfristig abgegeben werden. Und damit auch alle Probleme. Christoph Spangenberg

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