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Berlin: Paradebeispiel für die Welt

Am Wochenende ist Karneval der Kulturen. Tipps für den besten Blick und die beste Musik

Sie kommen sogar aus Brasilien. Die Gruppe „Cortejo Afro“ vom Wagen Nummer acht fliegt aus Salvador de Bahia ein, um den Deutschen beim Karneval der Kulturen einzuheizen. Selbst Korrespondenten des Fernsehsenders Al-Dschasira reisen an, um über arabische Jugendliche als friedfertige Einheizer zu berichten. Als Berliner hat man es da leichter: einfach mit der Bahn nach Kreuzberg fahren und mitfeiern. Ein paar Tipps für den Umzug am Sonntag.

In Stimmung kommen. Der Karneval ist international, lebendig, abgefahren – halt genauso bunt wie Berlin. 4500 Leute in 96 Gruppen geben beim Umzug rund vier Stunden lang alles. Und das ehrenamtlich. Sie haben sich monatelang vorbereitet, bis in die Nächte geschneidert und geprobt und gestrichen. Sie laufen bei erwarteter brütender Hitze in schweren Kostümen und mit klebriger Farbe bemalt. Also eine Bitte an die Zuschauer am Streckenrand: Ein wenig Zuspruch, ein bisschen Anfeuerung, ein Lächeln auf den Lippen wäre großartig.

Das passende Outfit. Es gab schon Umzüge, bei denen unsereins im regenresistenten Segleroutfit mit Skiunterwäsche anfeuerte. Diesmal sollte man an der Strecke und beim Fest beides im Gepäck haben: Sonnencreme und Regenschirm, erwartet werden 25 Grad plus Gewitterschauer. Am besten mitfeiern kann man, wenn man etwas dabei hat, mit dem sich richtig schön Krach machen lässt: eine umfunktionierte Love-Parade-Trillerpfeife, eine Fußballrassel, auch ein Kochtopf mit Löffel tut es. Schminke im Gesicht kommt gut. Wer mit seinen Kindern zum Karneval geht, sollte ihnen vorsichtshalber ein Stückchen Tempotaschentuch oder Stöpsel aus der Apotheke in die Ohren stecken – es kann und soll laut werden. Dosen und Flaschen bitte zu Hause lassen. Und keine Sandalen anziehen – da haben sich schon etliche Besucher Schnittverletzungen an den Scherben am Boden geholt.

Die schönsten Plätze am Streckenrand. Sie wollen das Gefühl haben, mitten im Trubel Teil eines Großereignisses zu sein? Dann ab zum Südstern. Da ist dieses Jahr die U-Bahn zu, das heißt, es werden sich wohl noch mehr Leute als sonst am Rand drängen. Ordentlich auf Tuchfühlung kann man auch auf Höhe Mehringdamm gehen, hier ist der Caipirinha-Pegel schon recht hoch und Teilnehmer wie Publikum sind bereits phonstark berauscht. Wer sich hier in der Toilettenschlange in einem der Restaurants anstellt, kommt spätestens jetzt ins Gespräch. Es soll aber auch Leute geben, die vor allem wegen der Musik kommen. Ihnen sei eine Stelle relativ am Anfang empfohlen, gleich hinter der Jurybühne an der Hasenheide in Höhe Graefestraße. Hier sind Musiker und Tänzer noch topfit und nach der Anspannung vor den Juroren jetzt schön locker. Richtig verausgabt und losgelöst sind die Akteure kurz vor Schluss, Richtung Yorckbrücken: mitwippen, mittanzen, mitfeiern.

Die schärfsten Gruppen. Geschmäcker sind verschieden, und so sind auch die Mitwirkenden beim Karneval. Empfohlen sei aber die Gruppe „Fragoda“ aus Ghana (Wagen 52), die dank der Unterstützung der Botschaft einen größeren Auftritt plant. Beeindruckend sind die bolivianischen „Amigos del Folklore“ (Wagen 35). Auffallend ist diesmal die große Zahl von Jugendgruppen wie jener vom „Jukuz Wutzkyalle“ (78). Bei der Greenpeace-Jugend (27) laufen 250 Leute mit. Davor trommeln und rappen 50 Leute vom Trommelzentrum „Groove“ aus Kreuzberg auf Ölfässern und Dun-Dun-Bassfässern in einer Einkaufswagenrollkonstruktion, als Pinguine und Knut verkleidet (Wagen 26). Beim Karneval wollen immer alle die Letzten sein, weil die Leute zum Schluss mitlaufen und -feiern können. Diesmal last but not least: Der Wagen der „Grooving Smokers“.

Geheimtipps. Wer Stammgast ist, weiß das: Jeden Abend treffen sich Karnevalisten mit Kostümen und Trommeln zu spontanen Sessions rund ums Straßenfest. Wer beim Umzug von der einen auf die andere Seite aber nicht stören will, nutzt die U-Bahnhöfe als Unterführung. Aber bitte nicht einfach mit dem Zug mitlaufen, um schneller von A nach B zu kommen. Das stiehlt den Teilnehmern die Show und dem Publikum die Sicht. Übrigens: Die Brasilianer werden wohl mit positiven Eindrücken zurückfliegen. Zwar schütteln hier nicht alle Frauen leichtbeschürzt wie drüben das, was sie zu bieten haben. Dafür sind die Berliner im Organisieren Karnevalweltmeister.

Annette Kögel

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