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Berlin: Paris Bar, Berlin: In der Hölle war es schon immer kurzweilig

Eigentlich gibt es nur zwei Sorten von Berlinern: Freunde der Paris Bar und Feinde der Paris Bar. Die einen gehen regelmäßig rein, die anderen bleiben draußen und beschweren sich - über das Essen, die Kunst, die Promis und überhaupt.

Eigentlich gibt es nur zwei Sorten von Berlinern: Freunde der Paris Bar und Feinde der Paris Bar. Die einen gehen regelmäßig rein, die anderen bleiben draußen und beschweren sich - über das Essen, die Kunst, die Promis und überhaupt.

Jetzt endlich gibt es ein Buch, das alle Berliner befriedigen wird: "Paris Bar, Berlin". Die Freunde können in dem Album blättern, können Fotos gucken, Gedichte lesen und in schönen Erinnerungen wühlen (die schrecklichen kommen, wie in jedem Familienalbum, nur vor, soweit sie doch irgendwie schön sind). Und die Feinde können endlich auch mal mit Gerhard Schröder zusammensitzen und mit Otto Sander am Tresen lehnen, können Lammkoteletts essen, die offensichtlich doch so schlecht nicht sind, und die zeitgenössische Kunst betrachten, die zum Teil besser ist als im Hamburger Bahnhof, als dessen Vorschau Heinz Berggruen die Paris Bar bezeichnet - einer der vielen Stammgäste von Lüpertz bis Joop, die zur Feder statt zum Glas gegriffen haben, um zu erzählen von diesem sagenhaften Ort, an dem aus Schriftstellern Tiere und aus Politikern Menschen werden. Ja, die Paris Bar ist die Hölle, schreibt Heiner Müller gleich zu Beginn, aber die Hölle, so der Dramatiker, war schon immer kurzweiliger als das Paradies.

"Paris Bar, Berlin" ist eine Hommage an eine Institution, die Mauerbau und Mauerfall überlebt hat und weiterhin blüht und gedeiht. Denn wer will heute schon nach Mitte, das, mokierte sich neulich die Regisseurin Christine Umpfenbach, erinnere sie immer mehr an Schweinfurt in den 70er Jahren.

West-Berlin in den 70er Jahren, da und dort fing alles an: Da nahmen die Wiener Exilanten Michel Würthle und Rainald Nohal, auf Vermittlung von Otto Schily, die alte Paris-Bar in ihre Hand, um sie neu zu erfinden, wie Würthle sich in einem der Gespräche mit Eckhart Nickel erinnert.

Das Buch sieht aus, wie es sich für ein französisches Bistro gehört: intim, elegant, behaglich. Kein buntes coffee table book auf Hochglanzpapier - die matten Seiten sind in warmen Tönen unterlegt, rot, grün, ocker. Dass es jetzt am Sonnabend im fernen Osten, bei Dussmann in der Friedrichstraße, am frühen Abend um 19 Uhr, vorgestellt wird, ist ein kleiner Stilbruch. Aber vielleicht will man ja auch nur der Gendarmenmarkt-Konkurrenz zeigen, was Geschichte ist. Und was auch immer aus Berlin und der Paris Bar wird, die Erinnerung wird bleiben: "Paris Bar, Berlin" ist auf "alterungsbeständigem Papier" gedruckt. Wie es sich für Kunst gehört. Und hinterher kann man immer noch in die Kantstraße gehen, je später, desto schöner ist es dort. Ab zwei Uhr in der Früh, meint Michel Würthle, "da geht der Geist auf."

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