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Teure Bruchbude. Die Bewohner des Hauses in der Behrensstraße leben seit Monaten auf einer Baustelle.

© Kai-Uwe Heinrich

Pariser Platz: Gerhard Schröder ist schon ausgezogen

Der Bau des Architekten Frank O.Gehry neben dem Brandenburger Tor zog Touristen, Reiche und Prominente an. Doch beim Bau wurde offenbar gepfuscht. Das Haus bröckelt - und die Mieter fliehen.

Berlin – Durch den Vordereingang strömen die Touristen, um eine Besonderheit in diesem architektonisch herausragenden Haus am Pariser Platz zu betrachten: die raumfüllende Skulptur im hellen Innenhof, das Berliner Meisterstück des Architekten Frank O. Gehry. Der Star-Architekt hatte beim Bau auf die Einschränkungen für das äußere Bild seines preisgekrönten Entwurfs der DZ-Bank am Pariser Platz kreativ reagiert und seine Idee in den Lichthof verlagert: Die 2001 entstandene Skulptur mit ihrer silbrig schimmernden Haut aus Edelstahl sei „die anspruchsvollste Form, die mir in meiner Architektenlaufbahn gelungen ist“, sagte Gehry damals.

Ganz anders als die Vorderansicht mit der luftigen Fassade aus italienischem Kalksandstein, die nur aus quadratischen Fenstern zu bestehen scheint, zeigt sich der rückwärtige Teil des Gebäudes in der Behrenstraße. Gehry komponierte ihn als exklusiven Wohnbereich. Über zehn Geschosse zieht sich die wellenförmige Fassade mit den hervorspringenden Fenstern, von früh bis spät herrscht reger Betrieb in der stark bewachten Tiefgarage des ungewöhnlichen Gebäudes, das sich, eingerahmt vom weißen Haus der amerikanischen Botschaft im Westen und der gelben Eidotter-Fassade des Adlon-Palais im Osten, mit eigener Kraft trotzig zu behaupten scheint.

Seit einiger Zeit aber wird das Bild des zum Holocaust-Mahnmal hin gelegenen Gebäudes stark getrübt: Über die ganze Erdgeschosszone spannt sich eine Holzkonstruktion, auf der ein Stacheldrahtverhau jede Art von Fassadenkletterei verhindern soll. Ein Stahlgerüst reicht bis zum Dach des Hauses, daran hängt ein blauer Aufzug, der Mensch und Material in die Höhe transportiert. Gehrys Berliner Meisterstück ist vorne Hui, aber hinten Pfui. „Seit Monaten leben wir auf einer Baustelle“, sagen Bewohner, „wer das nicht ausgehalten hat, ist von sich aus geflohen und ausgezogen oder wurde in ein Appartement-Hotel umgesiedelt und wartet nun darauf, dass seine vier Wände endlich repariert werden“.

Das Wohnhaus wurde vor knapp zehn Jahren bezogen. Ein namhafter Immobilienhändler hatte die mit viel Komfort ausgestatteten „Wohnungen in allerbester City-Lage“ im Angebot, wer es sich leisten konnte, kaufte hier eine Berliner Bleibe, namhaften Firmen gefiel die Dependance inmitten der Hauptstadt. Die Wohnungen waren nicht billig, aber sie stammten vom berühmten Frank O. Gehry. Der Architekt hatte den Wohnbereich durch einen Luftraum vom Bürotrakt getrennt und die zehn Geschosse mit gläsernen Aufzügen verbunden – sie glitten sanft durch einen Wasserfall.

Mittlerweile rauscht kein Wasser mehr vom Dach in den Keller. Dafür zeigen uns Bewohner, weshalb sie ihr viel fotografiertes Wohnhaus nur noch als teuerste Schrottbude Berlins bezeichnen: Die edlen hellen Parkettfußböden wellen sich und müssen erneuert werden, bei der Brüstungsverglasung im Bereich aller Wintergärten besteht akute Absturzgefahr, weshalb die Fenster nicht mehr weit zu öffnen sind. „Wir fordern Sie auf, die Brüstungsverglasung nicht durch Anlehnen, Auf- bzw. Abstützen etc. zu belasten“, heißt es in einer Mitteilung an alle Mieter. Die wenigen, die noch ausharren, werden morgens mit dem Presslufthammer geweckt, Staub durchzieht das prächtige Haus, der Zutritt in kontaminierte Bereiche der oberen Geschosse „ist nur eingewiesenen Personen mit persönlicher Schutzausrüstung“ gestattet. „Hier“, sagt ein Bewohner, der uns über die teure Baustelle führt und mit dem Finger über Konsolen streicht: „Staub, überall Staub“.

Jetzt wird der Pfusch, mit dem das Haus offensichtlich gebaut wurde, Zug um Zug beseitigt. Aber wer wird die Totalsanierung der hochwertigen, gerade zehn Jahre alten Wohnungen bezahlen? Besitzerin des Hauses ist die Pariser Platz 3 Grundbesitz GmbH in Frankfurt (Main). In ihrem Auftrag wurde das Haus von der heutigen BAM Deutschland AG, Stuttgart, errichtet. „Unzulänglichkeiten im Schallschutz und Undichtigkeiten an der Fassade des Wohnhauses veranlassten uns im Interesse der Eigentümer, die BAM Deutschland AG auf Beseitigung dieser Schäden in Anspruch zu nehmen“, schreibt uns die Grundbesitzgesellschaft. Undichte Fassaden wurden bereits 2006 schon einmal saniert, ohne Erfolg. Nun suchen Sachverständige „mit Hochdruck“ nach Lösungen. Parallel verhandelt eine renommierte Baurechtskanzlei mit der BAM Deutschland. „Es wird sich sehr kurzfristig herausstellen, ob mit dem Baukonzern eine einvernehmliche Lösung erzielbar ist oder ob der Klageweg beschritten werden muss“, heißt es in einem Schreiben der Besitzer. „Wir gehen davon aus, dass das Haus Ende 2010 wieder bezugsfertig ist. Sollte die BAM die Schäden fachgerecht freiwillig beseitigen, könnte ein Wiederbezug des Hauses auch früher wieder möglich sein“. Sollte! Arme, reiche Mieter! Wenn sie denn überhaupt noch Lust haben auf die wohl teuerste Bruchbude Berlins. Ex-Kanzler Gerhard Schröder jedenfalls hat seine Wohnung in der Behrenstraße 73 längst verlassen. Lothar Heinke

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