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Berlin: Parlament unter Drogeneinfluss

Alle Fraktionen außer der CDU wollen den Umgang mit Cannabis erleichtern. Dagegen regt sich Widerstand

„Die Ware wird noch immer vom Dealer, nicht vom Staat gestellt, und der Dealer will nicht nur Cannabis verkaufen“, sagt Jörg Richert, meint damit Heroin und Kokain. Cannabis selbst sei in den letzten Jahren durch den verstärkten Rauschwirkstoff THC immer gefährlicher geworden, führe zu Sucht und „wahren Krankheitsbildern.“ Wenn das Abgeordnetenhaus jetzt einen liberaleren Cannabis-Umgang plane, sei dies der falsche Weg, das Problem in den Griff zu kriegen.

Jörg Richert sollte es wissen. Er ist Geschäftsführer des Vereins Karuna, der in Berlin auch über das Drogenhilfeprojekt „Zwischenland“ mehr als 250 suchtkranke Kinder und Jugendliche betreut. Der heftige Konsum von Cannabis führe zu geistigen und körperlichen Entwicklungsstörungen, sagt Richert. Dem von der FDP initiierten Antrag, den Besitz von bis zu 15 Gramm des Rauschgiftes nicht mehr unter Strafe zu stellen, war von den anderen Fraktionen außer der CDU unterstützt und in den Fachausschuss verwiesen worden. Die Bündnisgrünen hatten schon in der Parlamentssitzung zuvor die Freigabe von 30 Gramm Cannabis beantragt.

Die Union hält es für einen Fehler, Drogen freizugeben. Landeschef Eberhard Schönberg von der Gewerkschaft der Polizei spricht von einem „falschen Signal“. Von der Polizei selbst heißt es, sie wolle politische Vorschläge nicht kommentieren. Grundsätzlich sei der Besitz von nur kleinsten Mengen des Betäubungsmittels strafbar. Von 12 878 Rauschgiftdelikten hatten letztes Jahr 6801 mit der Hanfart Cannabis zu tun.

Gesundheitssenatorin Heidi Knake-Werner (PDS) will sich einem Modellversuch zur legalen und kontrollierten Abgabe von Cannabis „nicht versperren“. Die Sprecherin der Verwaltung, Roswitha Steinbrenner, meint, dass Cannabis auch eine Schmerz lindernde, positive Wirkung haben kann. Cannabis besitze nicht mehr Suchtpotenzial als Nikotin und Alkohol. Der Modellversuch, den letztlich das Parlament beschließen müsse, sollte wissenschaftlich begleitet werden, möglich sei die Abgabe durch Ärzte oder Apotheken. Die Abgabe über Apotheken bezeichnet der drogenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Martin Matz, wiederum als falschen Weg.

Einerseits sollte Cannabis als Medizin zur Schmerzlinderung verschreibungspflichtig über Apotheken abgegeben werden. Der Konsum als Rauschmittel aber müsste nach niederländischem Vorbild über ein „Koffie-Shop“-ähnliches Modell erfolgen. Für die FDP bleibe Cannabis eine Droge, die Schaden anrichten kann. Aber das Verbot habe den Konsum nicht beendet, dagegen den Reiz des Verbotenen bei manchen Jugendlichen ausgelöst. „Daher sollte das Schwergewicht auf die Prävention, auf die Aufklärung gelegt werden und nicht auf die Strafverfolgung.“

Justizsenatorin Karin Schubert (SPD) kann sich vorstellen, dass die „Verfolgungsgrenze“ für straffreien Besitz von Cannabis auf 15 Gramm angehoben wird, „da auch die gleichrangig schädliche Droge Alkohol völlig straffrei zu haben ist.“ Derzeit werden Strafverfahren von der Staatsanwaltschaft bis zur Konsummenge von 6 Gramm Cannabis eingestellt. Bei einer Menge bis 15 Gramm besteht noch immer eine große Wahrscheinlichkeit, dass die Staatsanwaltschaft das Verfahren einstellt, was sie überhaupt bei 35 Prozent aller Drogendelikte macht, um sich zu entlasten und eine „Kriminalisierung der Kleinen“ zu vermeiden.

Christian van Lessen

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