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Weit weg vom Bürger. Das Abgeordnetenhaus soll durch die angestrebte Parlamentsreform für die Bevölkerung transparenter werden und mehr als bisher das Gefühl vermitteln, dass hier über die Interessen der Berliner abgestimmt wird.

© dpa

Parlamentsreform in Berlin: Schärfere Debatten, mehr Bürgernähe und höhere Diäten

Das Berliner Abgeordnetenhaus will interessanter werden und verordnet sich deshalb eine Reform. Dabei auch mit inbegriffen: höhere Diäten für die Abgeordneten.

Von Sabine Beikler

Härtere Auseinandersetzungen, mehr Dynamik im Parlamentsablauf und Bürgerbüros für Berliner Abgeordnete: Das Abgeordnetenhaus will durch eine umfassende Parlamentsreform Politik für die Bürger transparenter vermitteln, mit Bürgernähe gegen die zunehmende Politikverdrossenheit ankämpfen und die Journalisten durch einen aktiveren Sitzungsablauf zur stärkeren Berichterstattung motivieren. Und es soll mehr Geld geben: höhere Diäten für die Abgeordneten und höhere Entschädigungen für Bezirksverordnete.

Im März fuhren die fünf parlamentarischen Geschäftsführer nach Hamburg, um sich die dortigen parlamentarischen Gepflogenheiten anzuschauen. Sie schauten sich danach die Landtagsreform in Nordrhein-Westfalen an, verglichen den Berliner Ablauf mit dem Stadtparlament Bremen und danach wurde alles aufgeschrieben, was von den Fraktionen als verbesserungswürdig betrachtet wurde. Die Kosten des gesamten Pakets belaufen sich auf rund 8,5 Millionen Euro. In Kraft treten soll die Reform, über die offenbar Konsens in allen Fraktionen besteht, schon am 1. Januar 2014.

Teilzeitparlament

Es bleibt beim Halbtagsparlament in Berlin. An eine Verkleinerung des 149-köpfigen Abgeordnetenhauses ist nicht gedacht. Zurzeit erhält jeder Abgeordnete eine monatliche Diät von 3477 Euro plus eine Kostenpauschale für das Büro von 1000 Euro und lediglich 580 Euro pro Mitarbeiter.

Künftig soll jeder Abgeordnete für die Anstellung von Mitarbeitern statt 580 Euro eine Pauschale von 3000 Euro bekommen – unter der Voraussetzung, dass der oder die Abgeordnete ein Bürgerbüro eröffnen und die Mitarbeiter dort vor Ort arbeiten und keine Aufgaben für die Fraktion übernehmen. Diese Summe orientiert sich an einer 30-Stunden-Stelle für wissenschaftliche Mitarbeiter mit Tariflohn. Das Geld kann auch auf mehrere Mitarbeiter aufgeteilt werden.

Bürgerbüros

Für ein Einzelbüro im Wahlkreis oder Bezirk erhält der Abgeordnete einen Mietzuschuss von 750 Euro. Teilen sich zwei Parlamentarier ein Büro gibt es 1300 Euro und bei maximal drei Abgeordneten 1650 Euro Zuschuss. Und einmalig in einer Legislaturperiode erhält ein Abgeordneter Inventarkosten im Bürgerbüro von maximal 2500 Euro erstattet. Die Geschäftsführer der Fraktionen verweisen alle darauf, dass diese Kosten „streng abgerechnet“ werden würden. Die Idee der Bürgerbüros sei, zu bestimmten Öffnungszeiten vor Ort Ansprechpartner für die Bürger zu sein und auf der anderen Seite die Raumnot im Abgeordnetenhaus etwas zu lindern.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie die Diäten der Abgeordneten steigen werden.

Diäten

Künftig soll sich der Sockel für die Entschädigung der Abgeordneten an der halben Bezirksbürgermeisterbesoldung orientieren. Diese beträgt 7762 Euro. Das macht eine Monatsdiät von 3881 Euro aus. Gemessen an der aktuellen Diät von 3477 Euro ist das eine Erhöhung von 11,6 Prozent. Zum Vergleich: Teilzeit-Abgeordnete in der Bremischen Bürgerschaft erhalten 4700 Euro im Monat inklusive Pauschalen. Auch die 55 Berliner Bezirksverordneten, die in einer von zwölf Bezirksverordnetenversammlungen politisch arbeiten, sollen statt bisher 345 Euro monatlich plus BVG-Karte 520 Euro erhalten. Auch die Fraktionen in den Bezirken sollen mehr Geld für Ausstattung und Personal bekommen. Pro Jahr sollen 62 500 Euro pro Bezirk fließen. Die Mitarbeiter in den Bezirksfraktionen mussten in den vergangenen zehn Jahren auf eine Erhöhung verzichten.

Senatoren

Der Senat besteht aus dem Regierenden Bürgermeister und bis zu acht Senatoren. So steht es in der Berliner Verfassung. Mit Beginn der nächsten Legislaturperiode kann der Senat künftig aus maximal zehn Senatoren bestehen. Mammutressorts wie die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt könnten entflochten werden. Dafür muss die Verfassung geändert werden.

Parlamentsablauf

Bisher beginnen die Sitzungen in der Regel jeden zweiten Donnerstag um 13 Uhr und enden spätabends. Die Besucherbänke sind gähnend leer. Die Berichterstattung über manche Debatten entbehrt eines öffentlichen Interesses, so dass sich Medienleute lieber mit den Politikern im Abgeordnetenhaus zu Gesprächen treffen. Das soll nun anders werden: Die Sitzungen starten ab Januar um 11 Uhr und enden spätestens 19 Uhr. Das wichtigste Thema, die Aktuelle Stunde, wird an den Anfang gesetzt. Sollte der Senat eigene Gesetzesanträge ins Parlament eingebracht haben, muss er diese auch begründen.

Und die Fragestunde war bisher fast immer erwartbar: Die Fragen wurden vorher eingereicht, der zuständige Senator liest seine Antworten ab und antwortet auf Zusatzfragen. Dieser Fragenkomplex wird nun abgeschafft. Stattdessen muss die Regierungsbank eine Stunde lang spontane Fragen beantworten. „Mehr Dynamik“ solle das bringen, sagen die parlamentarischen Geschäftsführer Torsten Schneider (SPD) und Heiko Melzer (CDU). Sogenannte schriftlich formulierte Große Anfragen von Fraktionen an einen Senator fallen komplett weg. Diese Anfragen wurden bisher am Abend in großer Ausführlichkeit beantwortet – der vorbereitete Text wurde abgelesen.

Parlamentspräsident Ralf Wieland (SPD) unterstützt die Parlamentsreform. Er freut sich, dass die Sitzungsdauer auf maximal acht Stunden begrenzt ist. Derzeit treffen sich die parlamentarischen Geschäftsführer während der Plenarsitzung und vereinbaren Verschiebungen von Tagesordnungspunkten, um die Debatten nicht bis spät in die Nacht dauern zu lassen. Wieland findet auch den stringenteren Ablauf der Parlamentssitzungen gut. „Da ist mehr Pfeffer drin“, sagt der Präsident des Abgeordnetenhauses. „Und manch ein Senator muss dann schon mal am frühen Morgen bei einem Sitzungstag die Zeitungen genau durchlesen.“

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