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Parteiausschluss: „Langwieriges Verfahren gegen Sarrazin“

SPD: Die Entscheidung über einen Rauswurf von Thilo Sarrazin wird erst in einem Jahr fallen. Auf den Vorwurf des Rassismus wird verzichtet.

Der SPD-Landesverband schließt sich der Einschätzung des Parteichefs Sigmar Gabriel an, dass das Parteiordnungsverfahren gegen den früheren Finanzsenator und Bundesbankvorstand Thilo Sarrazin sehr lange dauern kann. „Wir werden das sehr gründlich machen und es kann sehr langwierig werden“, sagte die Sprecherin der Berliner SPD, Daniela Augenstein. Der Bundesparteivorsitzende Sigmar Gabriel rechnet mit mindestens einem Jahr. Das bedeutet aber, dass eine Entscheidung über Sarrazins Mitgliedschaft in der SPD erst nach der Abgeordnetenhauswahl 2011 getroffen wird.

Der Bundes- und Landesvorstand der Sozialdemokraten haben, wie berichtet, textgleiche Begründungen für das Ordnungsverfahren der zuständigen Schiedskommission des SPD-Kreisverbands Charlottenburg-Wilmersdorf übergeben. Der Inhalt gilt als strikt vertraulich. Augenstein verwies auf die Schiedsordnung der SPD, die alle Beteiligten bis zum endgültigen Abschluss des Verfahrens zur Verschwiegenheit verpflichtet. Nur über formelle Verfahrensabläufe darf informiert werden.

Angeblich verzichtet die SPD in diesem zweiten Ordnungsverfahren gegen Sarrazin auf den Vorwurf des Rassismus, sondern wirft dem ungeliebten Genossen Sozialdarwinismus vor. Im ersten Ordnungsverfahren hatte die Schiedskommission des Berliner SPD-Landesverbands Sarrazin im März dieses Jahres bescheinigt, dass er sich nicht rassistisch geäußert habe. Ein Parteiausschluss wurde damals abgelehnt. Das war aber noch vor Veröffentlichung des umstrittenen Buchs „Deutschland schafft sich ab“.

Als der Kreisvorstand Charlottenburg-Wilmersdorf, dessen Mitglied Sarrazin ist, seinen Antrag auf ein Parteiordnungsverfahren „mit dem Ziel des Ausschlusses“ stellte, stellten die Genossen folgende Hauptvorwürfe in den Raum: Die grundsätzliche Diffamierung des Islam und ganzer Bevölkerungsgruppen, die Nähe zur Rassenideologie des Nationalsozialismus, die Einteilung der Wertigkeit von Menschen gemäß ihrer wirtschaftlichen Nützlichkeit und die Feststellung, dass eine höhere Durchlässigkeit des Bildungssystems und der Gesellschaft nutzlos oder sogar schädlich sei. Sarrazin leite „individuelle und gesellschaftliche Entwicklungen aus biologischen Gegebenheiten ab“ und propagiere eine Klassengesellschaft mit klaren Abgrenzungen zwischen den Schichten und deren Aufgaben in der Gesellschaft.

Diese Positionen, so der SPD-Kreisverband, verstießen gegen die Grundsätze der Sozialdemokratie und die Ordnung der Partei. Sarrazin zeige „autoritäre, antidemokratische und verfassungsfeindliche Tendenzen“ und organisiere einen „Feldzug gegen Nichtdeutsche und nicht wirtschaftlich Verwertbare“. In diesem Sinne sagte auch SPD-Bundeschef Gabriel bei einem Besuch in Istanbul: „Nie wieder werden wir soziale Fragen und genetische Fragen verknüpfen“. za

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