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Parteien: Berlins Linke trotzt Lafontaine mit Realpolitik

Der Landesverband der Linkspartei hält an seinem pragmatischen Kurs fest – und lädt westdeutsche Wahlkämpfer zur rot-roten Leistungsschau ein.

Geräuscharm regiert die Berliner Linkspartei gemeinsam mit der SPD die Stadt, während Oskar Lafontaine die Republik beschäftigt. Gut zwei Monate nach der Fusion von PDS und WASG erscheinen die Rahmenbedingungen für die pragmatischen Berliner Linken zunehmend skurril: Lafontaine berichtet nach einer Kubareise über die dortigen wirtschaftlichen Fortschritte. Der neue hessische Spitzenkandidat der Partei, ein Ex-DKP-Mann, kündigt Fundamentalopposition an. Die als linksextremistisch geltenden Trotzkisten in der Partei bemühen sich um mehr Einfluss. Und Lafontaines Frau Christa Müller predigt ein Mütter-an-den-Herd- Familienbild, mit dem sich vielleicht in sehr katholischen Dörfern punkten lässt, aber kaum in der Hauptstadt.

In dieser Gemengelage haben sich die Berliner Linken jetzt zur Vorwärtsverteidigung entschlossen. Fraktionschefin Carola Bluhm berichtet von der Idee, „den harten Kern der Wahlkämpfer aus Hamburg, Hessen und Niedersachsen einzuladen, um ihnen zu zeigen, was wir hingekriegt haben“. Die Nahaufnahme der Berliner Erfolge – öffentlicher Beschäftigungssektor, Umgang mit öffentlichen Unternehmen, Tarifvertrag für die Landesbediensteten – soll den Auswärtigen Anregung sein und den Berlinern unerwünschte Ferndiagnosen ersparen.

Schon jetzt treffen sich die führenden Berliner Linken in regelmäßigen Abständen mit der Bundesspitze. Nächster Termin ist im Oktober. „Diese Treffen sind keine Einbahnstraße“, sagt Wirtschaftssenator Harald Wolf – man höre sich zu und respektiere die unterschiedlichen Meinungen.

Der grundsolide und uneitle Verwaltungschef Wolf ist gewissermaßen der Anti-Lafontaine und kann als solcher „nicht feststellen, dass es für uns schwieriger wird zu regieren“. Im Gegenteil: Die Zeit vor dem – mit dem Verkauf an den Giro- und Sparkassenverband glücklich zu Ende gebrachten – Verkauf der Landesbank sei deutlich unangenehmer gewesen als die aktuelle Phase.

Die hier angestoßene Bundesratsinitiative zum Mindestlohn hat den Berlinern aus Wolfs Sicht weitere Pluspunkte eingebracht. Im Übrigen findet er es „normal, dass es in einer jüngeren Partei auch mal aufgeregtere Diskussionen gibt“, und konstatiert nüchtern, dass das zeitweise als Parteilinie gehandelte Frauenbild von Lafontaines Gattin „nicht unsere Position“ und Kuba „sicher nicht das Vorbild für die Bundesrepublik Deutschland ist“.

Landeschef Klaus Lederer, der kürzlich schon mit sehr vorsichtig formulierter Kritik an Lafontaine den Unmut der Bundesspitze erregt hatte, gibt sich ebenfalls entspannt: „Wir haben hier ziemliche Ruhe“, sagt er. Nach dem Fusionsparteitag mit der Landes-WASG Anfang Juli sei die Truppe zwar spürbar bunter geworden, aber trotz mancher Turbulenzen knirsche es nicht im Gebälk.

Das wird auch in der SPD wohlwollend zur Kenntnis genommen, die in der Linken einen nach wie vor sehr pflegeleichten Koalitionspartner sieht: Die Regierungsarbeit funktioniere so gut wie gehabt, das bundespolitische Spektakel verunsichere die Berliner Linken nicht: „Die sind da ganz cool“, sagt einer, „die können sich das auch leisten.“ Er hofft, dass das auch so bleibt.

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