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Wann wir stehen Seit' an Seit': SPD-Chef Jan Stöß, der Regierende Bürgermeister Michael Müller und Fraktionsvorsitzender Raed Saleh beim SPD-Parteitag.

© Tim Brakemeier/dpa

Update

Parteitage von CDU und SPD: Streit um die Ehe für alle wirkt für alle nach

Am Tag, nachdem sich Berlin bei der Bundesrats-Initiative zur Ehe für alle enthalten hat, halten CDU und SPD ihre Landesparteitage ab. Alle schimpfen über den Koalitionspartner - und Henkel wird mit fast 90 Prozent als Parteichef bestätigt.

Der breite Erwartungshorizont gegenüber der Regierungspartei SPD war wörtlich zu nehmen an diesem Sonnabend: Dutzende Demonstranten standen an der Budapester Straße jenseits des Eingangs zum Hotel Intercontinental, in dem sich die Sozialdemokraten zum Landesparteitag trafen. Sie protestierten gegen Rassismus, für Schulpatenschaften, für Musikunterricht, gegen prekäre Arbeitsplätze im Umfeld von Landesunternehmen, für bessere Bedingungen in der Pflege, für die Rekommunalisierung der Energienetze. Im Foyer dann das Gegenprogramm – in Gestalt von Ständen unter anderem von Vattenfall und Post.

Doch die 225 Delegierten hatten zwar mindestens ebenso große, aber weniger kontroverse Themen auf der Agenda: Friedens- und Flüchtlingspolitik sowie Strategien gegen Rechts. Zum Abschluss sollte es um die Zukunft der Berliner Verwaltung gehen. Dass die Landespartei hierzu Gesprächsbedarf haben sollte, weiß jeder, der in Berlin einen Termin beim Bürgeramt braucht oder vor fragwürdigen Baustellen im Stau steht.

Den größten Applaus bei der Begrüßung der Ehrengäste – vom Regierenden Bürgermeister über Senatoren bis zu Gewerkschaftern – erhielt übrigens der Betriebsratsvorsitzende des Siemens-Gasturbinenwerks, dessen Beschäftigte um ihre Arbeitsplätze fürchten. Er verlor diesen Spitzenplatz dann allerdings an Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier, der wenig später unter tosendem Beifall eintraf.

Stöß: SPD habe "Selbstbewusstsein getankt"

Zunächst hatte allerdings Landeschef Jan Stöß das Wort. Die SPD habe „Selbstbewusstsein getankt“ und sei „auf gutem Weg, die Abgeordnetenhauswahl in einem Jahr zu gewinnen“, verkündete er – um sich sogleich die CDU vorzuknöpfen („wir haben allerdings einen Koalitionspartner“), deren Widerstand am Freitag im Bundesrat das Berliner Ja zur Homo-Ehe verhindert hat. „Was sich die CDU in den letzten Tagen und Wochen geleistet hat, ist ein Beispiel dafür, dass sie keine Großstadtpartei ist.“ Bis heute hätten die Christdemokraten kein einziges inhaltliches Argument für ihre Position gebracht.

Es folgte ein Ritt durch die Landespolitik, die dank der SPD so erfolgreich sei: Zwei Milliarden Euro Schuldentilgung bei gleichzeitigen Investitionen in dieser Legislaturperiode, Besserung auf dem Arbeitsmarkt – und bald auch in der Wohnungspolitik. In der könne die SPD „eine Wucht entfalten“, wenn sie geschlossen sei. Schon jetzt stünden Mietpreisbremse und die jüngste Einigung mit dem Bund über Wohnungsverkäufe ans Land auf der Habenseite. Es folgte die fast schon obligatorische Warnung vor dem Mieten-Volksentscheid, den Stöß als Subventionsprogramm für private Vermieter auf Steuerzahlerkosten beschrieb. Und schließlich der Appell zu Empathie und konsequenter Unterstützung für tausende Flüchtlinge, die für die Flucht nach Deutschland ihr Leben riskieren.

Steinmeier zu Müller: "Du machst einen klasse Job"

Damit war die Brücke zur Außenpolitik geschlagen – und zu Steinmeier. „Zu einem entspannten Vormittag kann ich mit meinen Themen nicht allzu viel beitragen“, umriss der die weltpolitische Lage. Deshalb blickte er zunächst nach innen, nämlich auf die SPD-Projekte Mindestlohn und Mietpreisbremse. Es folgte ein flammendes Plädoyer für „gesteuerte Zuwanderung“ im Interesse von Deutschlands Zukunft. Dem Regierenden Bürgermeister bescheinigte Steinmeier: „Ich finde, du machst einen klasse Job hier in Berlin!“ Müller genoss gerührt den Applaus der Delegierten, an seinen beiden Seiten seine einstigen Konkurrenten ums Amt, Raed Saleh und Jan Stöß. Steinmeier lobte das Mitgliedervotum, mit dem der Regierungschef gekürt wurde: „Professionell und solidarisch“ sei die Nachfolge von Klaus Wowereit geregelt worden.

Es folgte ein strenges „So!“, das den inhaltlichen Übergang zur Weltpolitik signalisierte – in einer Welt, „die aus den Fugen geraten zu scheint“. Zwar gebe es in der Außenpolitik nie eine Erfolgsgarantie. Aber deshalb – etwa im Konflikt in der Ukraine – einfach nichts zu tun, wäre falsch. Frieden müsse aus einem Konflikt heraus „immer hart erarbeitet werden“, und diese Arbeit scheue er nicht. Zumal es um die gewaltsame Verschiebung von Grenzen gehe. Ein gutes Verhältnis zu Russland bleibe sein Ziel, zumal er selbst schon bisher viel Arbeit darin investiert habe. „Aber zu einem Verhältnis gehören immer zwei“, und zum Erbe von Willy Brandts Ostpolitik gehöre nicht nur freundlicher Umgang mit Russland, sondern auch das Bewusstsein für die internationalen Spielregeln. Die „geschickte Balance“ von Druck einerseits und Verhandlungsbereitschaft andererseits habe immerhin einen Anknüpfungspunkt geschaffen, um den Konflikt unter Kontrolle zu halten. Europa habe schon wegen der geografischen Nähe gar keine andere Option, als sich in irgendeiner Weise mit Russland zu arrangieren. „Es kann keine militärische Lösung für diesen Konflikt geben.“

Steinmeier: Der weltläufige Promi der SPD

Griechenland muss aus Steinmeiers Sicht unbedingt in der Eurozone gehalten werden. Die Außenwirkung eines Ausscheidens wäre katastrophal – nämlich die Botschaft, dass die EU ein Mitglied fallen lasse, das für gerade 1,3 Prozent ihrer Wirtschaftsleitung stehe. Dieses Signal aus Europa an die zerrüttete Welt wäre dramatisch.

Schließlich kam Steinmeier auf Syrien, wo der Krieg mittlerweile elf Millionen Menschen obdachlos gemacht habe. Die gerade auch in Berlin vorhandene Bereitschaft, den Flüchtlingen zu helfen, sei nicht nur menschlich dankenswert, sondern auch ein wichtiges Argument für ihn als Außenminister, wenn er in Brüssel eine gerechtere Verteilung der Flüchtlingsströme innerhalb der EU fordere. Als Steinmeier dann noch beschreibt, wie das Auswärtige Amt Vertreter der verfeindeten libyschen Milizen nach Deutschland eingeladen und auf einem Spreedampfer buchstäblich alle in dasselbe Boot gesetzt hat, brandet Applaus auf unter den Genossen für das, was ihr Mann am Rednerpult alles für die Welt tut.

Sie stehen nicht nach und nach auf, weil einer damit angefangen hat, sondern weil es ihnen offenkundig ein Bedürfnis ist, ihren weltläufigen Promi zu würdigen, bevor sie sich wieder dem Klein-Klein der lokalen Ebene zuwenden. Jenem Klein-Klein, ohne das auch das große Ganze nicht funktionieren würde.

Frank Henkel mit 88 Prozent wiedergewählt: "SPD hat Verlässlichkeit und Vertragstreue in Frage gestellt"

Seele gestreichelt: Der Berliner CDU-Vorsitzende Frank Henkel (l) winkt nach seiner Rede den Delegierten zu. Neben ihm steht CDU-Generalsekretär Kai Wegner.
Seele gestreichelt: Der Berliner CDU-Vorsitzende Frank Henkel (l) winkt nach seiner Rede den Delegierten zu. Neben ihm steht CDU-Generalsekretär Kai Wegner.

© Stephanie Pillick/dpa

Die Berliner CDU wählte am Sonnabend auf ihrem Landesparteitag ihre Spitze für die kommenden zwei Jahre neu. Einziger Kandidat für den Landesvorsitz war der bisherige Landesvorsitzende und Innensenator Frank Henkel, der das Amt seit 2008 innehat und zum vierten Mal wiedergewählt wurde. Er bekam 249 der insgesamt 283 Delegiertenstimmen - 88 Prozent. 25 Delegierte stimmten mit "Nein", neun enthielten sich bei der Wahl. Auch Generalsekretär Kai Wegner, Vorsitzender der Berliner Landesgruppe in der Bundestagsfraktion, wurde wieder bestätigt werden. Auf die vier Stellvertreterposten wurden die bisherigen Amtsinhaber - Kulturstaatsministerin Monika Grütters, der Kreisvorsitzende von Charlottenburg-Wilmersdorf, Andreas Statzkowski, und der Reinickendorfer Kreischef Frank Steffel - sowie neu der Kreischef von Steglitz-Zehlendorf und Justizsenator, Thomas Heilmann, gewählt. Heilmann übernahm den Posten von Michael Braun, dem er bereits als Kreisvorsitzender in Steglitz-Zehlendorf gefolgt war und der jetzt als Beisitzer gewählt wurde. Grütters, die erste Stellvertreterin ist, erzielte mit 249 Stimmen bei 27 Nein-Stimmen und neun Enthaltungen das beste Ergebnis, Heilmann mit 195 Stimmen (63 Nein, 24 Enthaltungen) das schlechteste Ergebnis.

Berlin habe eine positive Entwicklung genommen, seit die CDU 2012 mit am Senatstisch sitzt, sagte Volker Kauder zum Auftakt des Parteitags. Im Best Western Hotel Moa in Moabit nannte der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion die innere Sicherheit als Beispiel, im besonderen die Zahl der Wohnungseinbrüche. „Das ärgert die Menschen in Berlin genauso wie in meiner Heimat“, sagte der aus Baden-Württemberg kommende Kauder. Innensenator Henkel habe dafür gesorgt, dass Polizei und Sicherheitsbehörden wieder gestärkt werden. Zudem ging Kauder auf den Streit innerhalb der Berliner SPD-CDU-Koalition der letzten Tage um die Abstimmung zur Ehe für alle im Bundesrat ein. Er  nannte das Thema zwar nicht einmal wörtlich, sondern sprach von einer Frage, „die nicht direkt etwas mit dieser Stadt zu tun hat“ und übte scharfe Kritik an den Sozialdemokraten, die es viele Tage im Unklaren gelassen hatten, ob sie im Bundesrat der Initiative der SPD-Länder folgen wollten. 

Auch Frank Henkel ging in seiner Rede auf dieses Thema ein: „Wie die SPD hier über Tage ihre Verlässlichkeit und Vertragstreue in Frage gestellt hat, wie hier ohne Not eine politische Kraftprobe inszeniert wurde, das sollte und darf in einer Koalition wahrlich nicht allzu oft passieren.“ Henkel sprach in diesem Zusammenhang von „fragwürdigen Muskelspielchen“.

Kai Wegner: CDU ist "unideologisch, unaufgeregt, pragmatisch"

Zum Vorwurf der SPD, die CDU sei keine Großstadtpartei, sagte Kai Wegner: "Wir sind eine liberale und soziale Großstadtpartei und machen keine Klientelpolitik, sondern eine Politik für alle Berlinerinnen und Berliner: unideologisch, unaufgeregt und pragmatisch."

Griechenland wurde auch bei der CDU zum Thema: Volker Kauder mahnte an, dass es noch in diesem Monat Entscheidungen zu Griechenlands Verbleiben in der Eurozone geben muss. Zunächste müsse sich Griechenland positionieren, dann stehe auch eine Befassung im Bundestag an. "Dieses Europa ist mehr als Euro und Cent, sondern eine Werte- und Schicksalsgemeinschaft", sagte Kauder. Deswegen müsse man sehr genau überlegen, ob ein Land darauf aus der Eurozone ausschere. Denn dies gefährde die Stabilität und die Verlässlichkeit Europas. Aber gleichzeitig müssten auch Regeln und Bedingungen bei einem Verbleib in der Eurozone eingehalten werden. Wenn dies nicht der Fall sein, werde "Europa schwer gefährdet", sagte Kauder. "Das sollte sich das freche Bürschchen Tsipras mal hinter die  Ohren schreiben. Rotzfrech auftreten und dabei die Hausaufgaben nicht machen, das geht gar nicht."

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