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Käse für alle. Frau Antje darf nach einer Zwangspause wieder als Werbefigur für die Niederlande herhalten. Weitere Fotos von der Grünen Woche finden sie unter www.tagesspiegel.de/berlin Foto: p-a/dpa

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Partnerland Grüne Woche: Mehr Würze und Innovation aus Holland

Seit 60 Jahren ist Holland bei der Grünen Woche dabei. Diesmal ist es das Partnerland der Messe. Wer vermutet, dass Holland nur mit Altbewährtem, wie den traditionellen Holzschuhen und ihren Käse, aufwartet, der irrt. Die Einflüsse der kolonialen Vergangenheit schleichen sich nun auch in die holländischen Kochtöpfe ein.

Fast alle großen internationalen Aussteller von einst sind verschwunden – Holland nicht. Nur gestandene Anhänger der Grünen Woche erinnern sich noch an Karoline, die Dänen-Kuh, oder daran, wie sie bei den Amerikanern den ersten gegrillten Maiskolben ihres Lebens gegessen haben, doch diese Offensiven auf dem deutschen Agrarmarkt sind längst Geschichte. Tulpen, Gouda und Matjes aus Holland aber gibt es noch immer alljährlich zu bewundern und zu probieren, und das stets mit einem Aufwand, der den Auftritt zu einem Blickfang macht, seit 1953 und damit im 60. Jahr.

Kein Land ist länger dabei, und deswegen ist Holland so etwas wie der selbstverständliche Partner der diesjährigen Grünen Woche, ein Gegengewicht auch gegen die fortschreitende Osteuropäisierung der Berliner Agrarmesse. Auch die Zahlen sprechen für sich: Deutschland nimmt gut ein Viertel der holländischen Agrarprodukte ab und ist damit der mit Abstand wichtigste Handelspartner des Landes in diesem Sektor. In den vergangenen Jahren hat der Export zu uns vor allem bei Käse und Fleisch zugenommen; der Gesamtwert der Waren stieg 2011 um neun Prozent auf fast 73 Milliarden Euro.

Wenn auch Frau Antje, die in ihrem Heimatland völlig unbekannte Käsebotschafterin, nach einer Zwangspause reanimiert wurde, so ist doch von Toast-Hawaii-Nostalgie in der Holland-Halle schon lange nicht mehr viel zu spüren. Die wichtigen Exportartikel bleiben – doch ihre Vermarktung hat sich geändert. Trachten und Holzschuhe sind zurückgetreten zugunsten einer Selbstdarstellung als innovatives Agrarland.

Holland hatte lange mit dem Image eines Massenproduzenten zu kämpfen, wurde wohl auch unvorbereitet erwischt vom sehr deutschen Bio-Boom, der Qualität immer noch unweigerlich mit der Klischeevorstellung vom pittoresken Fachwerkhaus inklusive Ökobauer in Latzhose verbindet. Typisch ist das immer noch weit verbreitete Vorurteil, holländische Gemüse, speziell Tomaten, seien wässrig und ohne Nährwert.

Doch die Zuchtziele und Qualitätsanforderungen haben sich längst geändert – Geschmack und Frische stehen im Vordergrund, und der Anbau findet zum großen Teil eher in futuristischen Treibhäusern als auf traditioneller Krume statt. Holländische Spezialunternehmen, die sich beispielsweise auf Mikro-Gemüse und Kräuter spezialisiert haben, sind inzwischen feste Lieferanten der europäischen Spitzengastronomie und dauerpräsent auf Avantgarde-Veranstaltungen wie der „Madrid Fusion“. Und sie beliefern natürlich auch die steigende Zahl der holländischen Top-Restaurants mit den Drei-Sterne-Köchen Sergio Herman und Jonnie Boer an der Spitze.

Davon wird auf der Grünen Woche natürlich nur sehr am Rande gesprochen werden. Denn hier geht es ums Volkstümliche, um das, was der Holländer täglich isst. Die holländische Küche ist im Grunde eine wenig verfeinerte, traditionsverhaftete Bauernküche, deren Fundament aus Gemüseeintöpfen, Fettgebackenem und süßen Desserts auf Milchbasis besteht, einer substanziellen Ernährung also für Menschen, die körperlich arbeiten.

In den Küstenregionen spielt der unvermeidliche Matjeshering eine große Rolle, aber auch Miesmuscheln, Austern, Hummer und Edelfische werden dort viel gegessen. An die koloniale Vergangenheit erinnern indonesische und indische Einflüsse wie die im ganzen Land beliebte Reistafel, und über Belgien sind auch ein paar französische Farbtupfer hinzugekommen.

Der moderne Holländer lebt natürlich ebenso von Fertiggerichten und Fast Food wie andere Europäer, doch er pflegt auch kulinarische Traditionen wie den Boerenkool, schlichten Grünkohl, der auch die Basis des „Boerenkoolstamppots“ ist, zu dem ferner Rauchwurst oder Schmorfleisch gehören. Viele der traditionellen Eintöpfe sind in ihrer Zusammensetzung nicht genau festgelegt, weil sie aus Notzeiten stammen, in denen alles in den Topf kam, was gerade verfügbar war. Der „Hutspot“ beispielsweise kann Bohnen, Speck, Rinderbrust, Möhren, Zwiebeln und Pastinaken enthalten, aber es gibt auch Varianten mit Kartoffeln oder Wurst. Die Erbsensuppe, ein althergebrachter Sattmacher in ganz Mitteleuropa, heißt in Holland „Snert“, bereichert mit Haxe, Speck oder Rauchwurst.

Dass so etwas mit einem Genever abgeschlossen werden muss, versteht sich von selbst. Doch es gibt heute in den holländischen Städten auch so etwas wie eine Tapas-Kultur: die kleinen Häppchen aus Käse, Wurst oder Fleisch, die „Borrelhapjes“, helfen wie ihr spanisches Vorbild beim Überbrücken der Zeit zwischen Arbeitsschluss und Abendessen. Als süße Alternative sind die Poffertjes, kleine Pfannkuchen, unersetzbar.

Nicht zu vergessen schließlich: Holland ist ein Land mit reicher Bierkultur. Es darf als sicher gelten, dass auch sie auf der diesjährigen Grünen Woche in ihrer ganzen Vielfalt erlebt werden kann.

Den Lageplan des Messegeländes finden Sie hier.

Öffnungszeiten, Eintrittspreise und Anfahrt

Käse für alle. Frau Antje darf nach einer Zwangspause wieder als Werbefigur für die Niederlande herhalten. Weitere Fotos von der Grünen Woche finden sie unter www.tagesspiegel.de/berlin Foto: p-a/dpa
Käse für alle. Frau Antje darf nach einer Zwangspause wieder als Werbefigur für die Niederlande herhalten. Weitere Fotos von der Grünen Woche finden sie unter www.tagesspiegel.de/berlin Foto: p-a/dpa

© dpa

Öffnungszeiten

Die 78. Grüne Woche ist vom 18. bis 27. Januar täglich zwischen 10 und 18 Uhr geöffnet. Am 19., 25. und 26. Januar kann die in den Messehallen am Funkturm stattfindende Agrarschau jeweils zwei Stunden länger besucht werden.

Eintrittspreise

Die Tageskarte ist um einen Euro teurer geworden und kostet nun 13 Euro, für das Sonntagsticket sind unverändert 10 Euro zu zahlen. Für Schüler ab sechs und Studenten kostet der Eintritt 9 Euro, Kleinkinder dürfen gratis hinein. Die Happy-HourKarte ab 14 Uhr kostet 9 Euro. Familienkarten für zwei Erwachsene und maximal drei Kinder bis 14 Jahre gibt es für 26 Euro. Gruppen ab 20 Personen und Schulklassen erhalten Rabatt, die Dauerkarte ist für 42 Euro zu haben. Der Katalog kostet 10 Euro.

Anfahrt

Die Veranstalter rät zur Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel. Die nächsten S-Bahn-Stationen sind Eichkamp/Messe Süd, Westkreuz und Witzleben Messe Nord, die nächsten U-Bahnhöfe Theodor- Heuss-Platz und Kaiserdamm (U2). Die S-Bahn setzt auf den Linien S75, S41/S42 und S46 zusätzliche Züge ein und verdichtet den Fahrplantakt. Auch die BVG passt ihren Busverkehr dem Messebedarf an und setzt die Busse der Linie 104 montags bis sonnabends von 10 bis 20 Uhr zwischen den U-Bahn-Stationen Berliner Straße und Theodor-Heuss-Platz zusätzlich im 10-Minuten-Takt ein. Auch die Line M49 verkehrt sonntags zwischen 8.30 und 10 Uhr zusätzlich im 10-Minuten-Takt, und die Linien X34 und X49 halten tagsüber zusätzlich an der Haltestelle Haus des Rundfunks. Gratis-Parkplätze gibt es am Olympiastadion, vom Olympischen Platz /Ecke Trakehner Allee fährt ein Shuttle-Bus zu den Messeeingängen Nord und Süd.

Informationen

Weitere Informationen zur Grünen Woche gibt es im Internet unter www.gruenewoche.de. Auch Onlinetickets kann man dort kaufen.

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