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Eine Hand greift nach Jetons. Der Betrieb von Automatencasinos boomt in Berlin.

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Automatencasino: Pech im Spiel

Automatencasinos boomen, ihre Zahl steigt in Berlin unaufhörlich, die Bezirke sind machtlos. Jetzt will die Opposition ein Gesetz.

Von Fatina Keilani

Beim Thema „Glücksspiel“ hat Berlin derzeit mit zwei Problemen zu kämpfen. Das eine: Derzeit kann offenbar jeder ohne Erlaubnis ein Wettbüro eröffnen. Denn infolge einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 8. September, mit der das nationale Glücksspielmonopol übergangslos gekippt wurde, ist ein rechtsfreier Raum entstanden. In Politik und Verwaltung hofft man, dass nicht allzu viele Glücksritter auf diese Idee kommen.

Das andere Problem sind die Spielhallen. Ihre Zahl steigt in Berlin unaufhörlich. „Wir haben Anträge für 25 Spielhallen in Bearbeitung und Nachfragen für über 20 weitere“, sagt etwa der Charlottenburger Baustadtrat Klaus-Dieter Gröhler (CDU). Die derzeitige Gesetzeslage macht es nahezu unmöglich, den Antragstellern die Genehmigung zu versagen. Das wird unisono von den zuständigen Stadträten der Bezirke beklagt.

Die CDU hat deshalb am Donnerstag einen eigenen Entwurf für ein Spielhallengesetz ins Abgeordnetenhaus eingebracht. Danach soll die Zahl der Spielhallen auf eine pro 50 000 Einwohner begrenzt werden. Um sich rechtlich abzusichern, hat die Fraktion beim Verfassungsrechtler Rupert Scholz ein Gutachten eingeholt, in dem dieser bestätigt, dass ein solches Gesetz vom Land wirksam erlassen werden kann. Der Senat hat daran nämlich Zweifel und favorisiert den Weg über eine Bundesratsinitiative.

Von den Grünen wurde der CDU-Vorstoß prinzipiell begrüßt. „Die Spielhallen sind eine echte Landplage“, konstatiert der grüne Rechtspolitiker Dirk Behrendt. „Wir stehen dem Vorschlag offen gegenüber. Wenn es verfassungsrechtlich möglich ist, sollte man die Genehmigungsanforderungen erhöhen, um die Zahl der Spielhallen zu reduzieren.“ In gewissem Umfang sei Steuerung auch jetzt schon über das Baurecht möglich.

„Das ist zwar richtig“, bestätigt Mittes Wirtschaftsstadtrat Carsten Spallek. „Allerdings muss man dafür Bebauungspläne ändern, die dann öffentlich ausgelegt werden müssen – das dauert.“ Spallek plädiert für eine Erhöhung der Vergnügungssteuer von elf auf 15 Prozent vom Umsatz, wie Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) sie derzeit prüft. Spallek hält sogar rund 20 Prozent noch für verfassungskonform.

Eine Steuererhöhung könnte ergiebig sein, denn die Umsätze der Daddelhallen haben sich in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdoppelt – von 39,3 Millionen Euro im Jahr 1999 auf rund 83 Millionen Euro 2009. Das geht aus der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der SPD hervor. Rund 8300 Geldspielgeräte standen am Jahresende in der Stadt.

Mit beträchtlichen Folgen: Die Spielsucht hat zugenommen, drei Viertel der Spielsüchtigen sind überschuldet. Der Spandauer Baustadtrat Carsten-Michael Röding (CDU) will daher zusätzliche Steuereinnahmen für Hilfen gegen Spielsucht ausgeben. „Auch die Angehörigen der Spielsüchtigen leiden sehr“, so Röding. Laut Landeskriminalamt steigt zugleich die Kriminalität in und um Spielhallen, Spielotheken und Wettbüros seit Jahren; speziell Taten wie Raub, Betrug, Sachbeschädigung, Körperverletzung und Drogendelikte wurden beobachtet.

Nach dem CDU–Vorschlag dürfte Berlin mit seinen 3,44 Millionen Einwohnern 69 Spielhallen haben. Allein der Bezirk Mitte hat derzeit 74. Fatina Keilani

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