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Berlin: Perfekt unperfekt

Tagesspiegel und Radio Multikulti zeigen, wie Berliner wohnen

BERLIN PRIVAT

Wer sagt, dass Homestorys nur interessant sind, wenn Prominente darin die Hauptrolle spielen? Wir nicht. In dieser Serie stellen Radio Multikulti und der Tagesspiegel die Wohnungen der Berliner von nebenan vor. Die Sendung zum Text läuft heute im Radio, und im Internet erlauben die Bewohner einen Blick ins Private.

Muster und Buntes sind ihr ein Graus. Deswegen sortiert Angelika Nafziger ihre Bücher auch nicht alphabetisch, sondern nach Verlagen, sonst droht ein „Farbenchaos“. Ins Badezimmer hängt die 47-Jährige selbstverständlich auch nur farblich einheitliche Handtücher – passend zum Badvorleger. Die sind gerade gelb, aber die ganze Garnitur gibt es auch noch einmal in grün. „Es ist fast lächerlich, aber manchmal trage ich sogar ein passendes Nachthemd dazu“, sagt sie verlegen.

Der Sinn für Ästhetik hat viel mit ihrem Beruf zu tun – sie ist Architektin. 20 Jahre lang hat sie in leitender Position gearbeitet und staatlich geförderte Stadterneuerungsprojekte koordiniert. Als Berlin das Geld ausging, brachen erst die Aufträge weg, dann Mitte letzten Jahres auch der Job. „Das ist schon was anderes, wenn man plötzlich so alleine dasteht“, sagt Angelika. Jetzt will sich die Hessin selbstständig machen als Gutachterin für Grundstücksbewertungen. Mit demselben Elan, mit dem sie jetzt Buchhaltungskurse besucht und Überbrückungsgeld beantragt, hat sie vor sieben Jahren die Renovierung ihrer Wohnung in Angriff genommen. Da war sie von einer kleinen Neuköllner Wohnung auf 97 Quadratmeter und zwei Balkonen in Schmargendorf gezogen.

Ihr Vater, ein Schreiner, hat das Parkett erneuert, der Bruder die Elektroleitungen, der Onkel hat die Fliesen gelegt. „Das war ein richtiges Familienprojekt“, erinnert sie sich, die von ihrem Mann getrennt lebt. Ein anderes Familienmitglied hat dazu beigetragen, dass die Wohnung möbliert wird. Der Biedermeiersekretär gehörte der „Nafziger-Oma“. Jetzt thront auf dem alten Möbel ihr Lieblingsstück: Der Dornenzieher – ein Gipsabguss des berühmten Standbilds. „Für meine Großmutter war er das Sinnbild der Bürgerlichkeit.“ Heute erkennt sie andere Qualitäten: „Hat der nicht einen netten Hintern?“ Ja, hat er.

Nett ist alles in dieser Wohnung, eben so, wie man es selber gerne hinbekäme, aber doch nie schaffen wird. Umso auffälliger, dass an den Wänden kaum ein Bild hängt – die stehen nämlich alle am Boden. „Wenn ich die aufhänge, hat es so was Fertiges und Perfektes.“ Richtig unperfekt sieht es auch so nicht aus. Schließlich passt jedes Bild farblich genau zur Umgebung, sei es zum Teppich oder zum Sofa.

Internet: www.berlinprivatonline.de ,

Radio Multikulti, heute 8.40 Uhr, (im Kabel 91,6 MHz, Antenne 106,8 MHz).

Nina Siegers

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