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Peter Buchner, 47, ist seit 2009 Chef der S-Bahn. Er hatte den Job mitten in der Krise des Unternehmens übernommen. Zuvor war er für den Regionalverkehr der Region zuständig.

© Archivfoto: Thilo Rückeis

S-Bahn-Chef Peter Buchner im Interview: "Wir resignieren nicht bei der S-Bahn"

Die S-Bahn Berlin feiert am Freitag ihr 90-jähriges Bestehen. Hier spricht Unternehmenschef Peter Buchner über Graffiti und Museumszüge, über die Ringbahn, einen dichteren Takt und neue Gleise in Brandenburg.

Herr Buchner, die S-Bahn wird am 8. August 90 Jahre alt. Ein Grund zum Feiern?

Ja. Selbstverständlich.  Wir – und unsere Fahrgäste – haben anstrengende Zeiten hinter uns. Aber jetzt geht es wieder vorwärts. Mit über 400 Millionen Fahrgästen hatten wir im vergangenen Jahr so viele Kunden wie noch nie. Und die Fahrgäste haben uns auch wieder besser bewertet.

Und wie wollen Sie feiern? Mit historischen Fahrzeugen geht es ja nicht. Diese sind alle nicht fahrfähig, weil sich die Werkstätten wegen der Krise nicht um die Oldtimer kümmern konnten.

Wir haben uns trotzdem einiges einfallen lassen. Mit einem Jubiläumszug bieten wir am 8. August vier moderierte Erlebnistouren vom Nordbahnhof nach Bernau an; so wie vor 90 Jahren der erste elektrische Zug gefahren war. Sondertickets zum Preis von drei Euro gibt’s im Zug. Und abends folgt eine weitere Erlebnisrundfahrt , die am Savignyplatz mit einem Kinobesuch  endet. Zu sehen gibt’s den Kultfilm „Berliner Stadtbahnbilder" von Alfred Behrens, der selbst dabei sein wird.  Und außerdem taufen wir Züge auf die Namen von Bezirken und Kommunen im Umland.

Dürfen auch Gemeinden dabei sein, die sich einen S-Bahn-Anschluss wünschen,  ihn aber nicht bekommen  - wie Velten, Rangsdorf oder auch Falkensee?

Wenn die Kommunen das wollen, machen wir das.

Auch wenn es als eine Forderung nach einem S-Bahn-Anschluss ausgelegt werden könnte?

Wir können nicht entscheiden, ob das Netz ausgebaut wird. Da sind die Länder Berlin und Brandenburg zuständig. Wir halten einen weiteren Ausbau für sinnvoll; vor allem nach Falkensee, wo es auf den Gleisen der Fern- und Regionalbahn bald keine Reserven mehr geben wird.

Nochmals zu den historischen Fahrzeugen. Wann können diese wieder fahren?

Die Federführung hat hierbei der Verein „Historische S-Bahn“. Dieser lässt derzeit einen ersten Viertelzug bei einem privaten Unternehmen aufarbeiten. Wir haben dem Verein in Erkner eine Halle bereitgestellt, in der die Fahrzeuge geschützt untergebracht werden können.  Und wir sammeln, wo immer es geht, Spenden für den Verein, der übrigens auch die Einnahmen aus den Erlebnistouren am Jubiläumstag erhält. Zudem unterstützen wir den Verein auch technisch und organisatorisch.

Es gibt auch die Idee, ein S-Bahn-Museum auf dem Gelände der Betriebswerkstatt in Lichtenberg zu schaffen. Unterstützen Sie diese Pläne?

Natürlich wäre es schöner, ein zentrumsnahes Museum zu haben. Ein neues Museum erfordert aber hohe Investitionen und einen Trägerverein, der es finanziell absichert. Dafür sehe ich derzeit keine realistische Chance. Deshalb sollte man sich erstmal auf Erkner konzentrieren, wo die Halle bereits da ist. Oder es findet sich ein großer Geldgeber.

Die Bahn vielleicht?

Das kann ich mir nicht vorstellen.

Aber die S-Bahn weist doch wieder Gewinne aus, die sie auch in ein eigenes Museum stecken könnte.

Wir müssen vor allem finanziell so gesund werden, dass wir neue große Investitionen stemmen können. Der Bahnkonzern hat weit über 300 Millionen Euro für uns in der Krise gezahlt. Jetzt müssen wir auch finanziell wieder auf eigenen Beinen stehen.

Aber die S-Bahn hat doch vor der Krise auch große Gewinne gemacht.

Ein Wirtschaftsunternehmen muss eine angemessene Rendite erwirtschaften, um investieren zu können. Und über die Laufzeit des Verkehrsvertrages haben wir insgesamt gesehen einen Verlust gemacht.

Dafür dürfen Sie aber jetzt auch mindestens bis Mitte 2023 auf dem Ring weiter fahren, weil ein neuer Betreiber, den es Ende 2017 hätte geben sollen, bis dahin keine neuen Fahrzeuge beschaffen kann.

Es geht um einen Übergangsvertrag. Dafür müssen die dafür erforderlichen alten Fahrzeuge, die Ende 2017 das eigentliche Ende ihrer Lebensdauer erreicht haben, nochmals ertüchtigt werden, damit sie noch ein paar Jahre fahren können. Neutrale Experten haben dem Senat und uns bescheinigt, dass dies grundsätzlich möglich ist. Auf dieser Basis haben wir ein Paket geschnürt und dem Besteller vorgelegt.

Der dann auch die Kosten übernehmen soll.

Der Preis wird in den Übergangsvertrag einfließen müssen, den wir nun mit dem Land aushandeln. Die Gespräche dazu müssen wir in diesem Jahr führen, damit wir 2015 dann mit den Arbeiten beginnen können. Das ist nötig, weil 2018 auch wieder eine große Zahl unserer neueren Fahrzeuge zur Revision in die Werkstätten müssen.

Durch die Direktvergabe für den Übergangsbetrieb ist der Senat auf Ihr Wohlwollen angewiesen. Können Sie die Bedingungen nun diktieren?

Im Gegenteil. Ein nicht im Wettbewerb vergebener Vertrag wird beihilferechtlich genau geprüft.

Ihre Konkurrenten fordern, dass Sie die Fahrzeuge zum Schrottpreis an den Senat abgeben, dieser sie in eigener Regie dann sanieren lässt und sie anschließend in einem Wettbewerbsverfahren  dem Gewinner vermieten.

Der Senat hat uns gebeten, die Ertüchtigung der Altfahrzeuge zu konzipieren und dafür ein Angebot vorzulegen. Dieser Bitte kommen wir derzeit nach.

Sie hatten sich gegenüber dem Eisenbahn-Bundesamt, das die Aufsicht führt, doch aber verpflichtet, zumindest die Züge der Baureihe 485 der ehemaligen Reichsbahn Ende 2018 stillzulegen. Wird dies jetzt hinfällig?

Die vorgesehene Stilllegung war eine Selbstverpflichtung von uns gegenüber dem Eisenbahn-Bundesamt. Angesichts der Notwendigkeit eines Weiterbetriebes, haben wir untersucht, mit welchen Maßnahmen dies möglich wird. Wir werden nochmals die Achsen an den Fahrzeugen tauschen und weitere flankierende Maßnahmen vornehmen. Auf dieser Basis haben wir unsere Selbstverpflichtung gegenüber dem Eisenbahn-Bundesamt modifiziert.

Damit besteht die Gefahr nicht mehr, dass Sie Ende 2018 gezwungen werden, die 80 Doppelwagen aus dem Verkehr zu ziehen?

Die Gefahr besteht nicht mehr. Aber die Sicherheit ist der eine Punkt. Die Fahrzeuge werden nicht jünger und damit unzuverlässiger. Deshalb müssen wir sie für einen längeren Betriebseinsatz mit einem ganzen Strauß von Maßnahmen fit machen. Rund 50 Punkte sind abzuarbeiten.

Bei der Wiederinbetriebnahme alter und abgestellter Fahrzeuge durch Drittfirmen haben Sie schlechte Erfahrungen gemacht. Was macht Sie jetzt so optimistisch, dass es diesmal besser klappt?

Wir wollen die Arbeiten so weit als möglich in unseren eigenen Werkstätten erledigen, die die Erfahrungen mit den speziellen Berliner S-Bahnfahrzeugen haben. Daher schauen uns auch schon fleißig um, wo das dafür erforderliche Personal herkommen kann. Unsere Werkstätten bereiten sich auf die zusätzlichen Herausforderungen vor.

Und wie weit sind Sie bei der Entwicklung eines neuen Fahrzeugs?

Wir haben einen Auftrag ausgeschrieben und erwarten nun die Angebote der Industrie.

"Uns stört der Vandalismus, das sollen Fahrgäste sehen"

Im Alltag gibt es Forderungen, Züge häufiger fahren zu lassen, vor allem auf dem Ring. Wären Sie dazu in der Lage, falls der Senat solche Zusatzleistungen bestellen würde?

Zusatzleistungen, die keine zusätzlichen Fahrzeuge benötigen, wären möglich. Besonders wünschenswert aus meiner Sicht sind zwei Punkte: Das Schließen der Fahrplanlücke im Nord-Süd-Tunnel, wo die S 25 aus Teltow Stadt außerhalb des Berufsverkehrs am Potsdamer Platz endet und die Fahrgäste nicht direkt den Umsteigeschwerpunkt Friedrichstraße erreichen, sowie auf der Stadtbahn. Dort fahren die Züge der S 75 aus Wartenberg erfreulicherweise ab Dezember auch sonnabends  im Tagesverkehr bis Westkreuz, aber eben nicht am Sonntag, an dem es auch viele Veranstaltungen gibt. Ein längerer Fünf-Minuten-Takt auf dem Ring ist aber gleich eine Hausnummer größer.

Fahrgäste wollen auch saubere Züge. Wie weit sind Sie denn mit ihrem Putzprogramm gekommen, in das Sie rund eine Million Euro stecken?

Wir haben uns keinen festen Termin bis zum letzten Fahrzeug gesetzt. Und wir wollen dafür keinen Zug aus dem Verkehr ziehen, sondern die üblichen Werkstattaufenthalte auch zum Entfernen von Graffiti und dem Austauschen von Schutzfolien auf den Scheiben nutzen. Wichtig ist uns, dass die Fahrgäste sehen, dass auch uns der leider immer noch vorhandene Vandalismus stört und wir nicht resignieren.

Und was ist mit dem Sicherheitsgefühl? Sie ziehen ja jetzt bis auf wenige Ausnahmen die Zugabfertiger von den Bahnhöfen ab.

Die Sicherheit ist weiter gewährleistet  - durch die Sicherheitspersonale, die Stammaufsichten und die mobilen Aufsichten, und zum Teil durch Kameraüberwachung. Wäre es finanzierbar, hätten wir sicher auch noch mehr Personal auf den Bahnsteigen.

Und so feiert die S-Bahn am Freitag, 8. August 2014

Los ging das S-Bahn-Zeitalter mit der ersten Fahrt eines elektrisch angetriebenen Zuges am damaligen Stettiner Bahnhof, dem heutigen Nordbahnhof. Dort lässt die S-Bahn deshalb am Freitag um 12.15 Uhr die beiden Einheiten des Jubiläumszugs auf die Namen „Berlin“ und „Brandenburg“ taufen. Mit dem Jubiläumszug finden dann vier moderierte „Erlebnisfahrten“ statt. Am Nordbahnhof beginnen die Fahrten um 12.49 Uhr und 14.49 Uhr, retour geht es jeweils ab Bernau um 13.56 Uhr und 15.56 Uhr. Die Mitfahrt kostet drei Euro; zu haben sind die Sondertickets nur in den Zügen. Auch am Endpunkt der ersten Fahrt in Bernau wird am Freitag gefeiert. Um 11Uhr erhält ein Zug den Namen „Bernau“. Bis 17 Uhr hat auf dem Bahnhofsvorplatz ein 20er-Jahre-Café geöffnet; um 13.30 Uhr und 15.30 Uhr finden einstündige Führungen durch die Innenstadt statt – gratis.

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