zum Hauptinhalt

Berlin: Peter Strieder: Erfahren, geschickt, mit Herz und Esprit (Leitartikel)

Alle wollen Spaß. Auch in der Politik.

Alle wollen Spaß. Auch in der Politik. Aber nicht alle können es. Zum Beispiel die Berliner SPD. Hier ist alles anders. Hier macht Politik überhaupt keinen Spaß. Die Berliner Sozialdemokraten quälen sich: Von Wahlniederlage zu Wahlniederlage, von einem Spitzenkandidaten zum nächsten, von einem Vorsitzenden zum anderen.

In einem Monat wollen sie wieder einen neuen Vorsitzenden wählen. Strieder, Grönebaum, Borghorst - so heißen die Kandidaten. Natürlich versprechen alle drei Aufbruch und Erneuerung. Mit keinem wird das gelingen.

Peter Strieder, Senator und früherer Linker, hat keine Hausmacht mehr. Seine größten Probleme: Er hört nicht auf andere, und andere hören nicht auf ihn.

Stefan Grönebaum, Neuling aus Düsseldorf und bekennender Linker, genießt die Sympathien vieler Unzufriedener. Sein größtes Problem: Die Unzufriedenen werden immer unzufrieden bleiben. Immerhin: Sein Vater hat in der Lindenstraße mitgespielt.

Hermann Borghorst, Gewerkschaftsfunktionär und Parteirechter, scheiterte beim Versuch, Fraktionsvorsitzender zu werden. Sein größtes Problem: Mit Aufbruch hatte er nie etwas zu tun.

Diese Wahl ist eine Qual. Der Tag der Entscheidung liegt vor der SPD wie ein Besuch beim Zahnarzt. Es wird viel gebohrt, die Schmerzen werden bleiben. Die drei unterscheiden sich politisch nur, wenn man sehr genau hinsieht. Und sie haben eines gemeinsam: Da ihnen selber Begeisterung fehlt, können sie auch nicht die Partei begeistern. Die aber bräuchte die Kraft, die ihr ein starker Vorsitzender geben könnte, um als kleine Regierungspartei die große vor sich herzutreiben - oder mutig in die Opposition zu ziehen. Keiner der drei Kandidaten gibt der SPD Hoffnung. Keiner kann Eberhard Diepgen schlagen. Keiner kann sie würdig vertreten. Und es kommt ja noch schlimmer. Denn eigentlich sucht die SPD nicht einen Vorsitzenden, sondern einen Spitzenkandidaten für die nächste Abgeordnetenhauswahl. Die ist zwar erst in vier Jahren. Aber erstens weiß man ja nie. Und zweitens braucht die Partei dringend jemanden, an dem sie sich wieder aufrichten kann. Auf den sie stolz ist. Der nicht auf Knien durch die Stadt rutscht.

Die SPD hat nicht wirklich die Wahl. Denn wenn es keiner deutlich besser kann als Strieder, dann ist er der bessere. Weil eine Partei, die ständig ihren Vorsitzenden wechselt, eben damit ihr Versagen, ihren Wankelmut und ihre Verführbarkeit beweist. Weil ein Parteivorsitzender, der zugleich Senator ist, wichtiger genommen wird in der Stadt. Weil ein Senator, der zugleich Parteivorsitzender ist, ernster genommen wird im Senat. Deshalb muss die Partei jetzt ein bisschen konservativ sein. Es sei denn, es kommt ihr noch jemand zur Hilfe.

Es hat Versuche gegeben, der Berliner SPD einen Vorsitzenden aufzusetzen: ernste, verzweifelte, humoristische. Die Liste der Namen ist lang. Im Wesentlichen sind es zwei Gründe, weswegen sich die SPD trotzdem aus den eigenen Reihen bediente: Prominente Fremde - und das sind alle, die sich nicht hinten anstellen wollen - sind nicht wohlgelitten; und die Fremden zogen, so sie politisches Talent besaßen, noch stets die große Politik dem Berliner Rathaus vor.

Die Berliner SPD sucht einen neuen Vorsitzenden. Und so muss er sein: besser als nur ein etwas besserer Strieder; voll natürlicher, nicht nur geliehener Autorität. Er muss politisches Geschick mit politischer Show verbinden, Politik inszenieren können, aber die Inszenierung nicht mit Politik verwechseln. Es muss einer sein, der in den Niederungen der Lokalpolitik und den Höhen der Bundespolitik erfahren ist. Der Siege rauschend gefeiert und Niederlagen schmerzhaft erlitten hat. Der heute weiß, dass einem Kämpfer mehr Anerkennung zuteil wird als einem Aufgeber. Der das Herz der Partei anrührt und zugleich ihren Verstand. Der begeistern und überzeugen kann. Der mit seinem Namen und seinem Wort nicht nur der SPD, sondern auch der Stadt neues Gewicht geben kann. Er müsste nicht einmal mit Geld umgehen können, weil die Stadt ohnehin keins hat.

Oskar Lafontaine zum Beispiel wäre so jemand. Zeit hätte er ja. Und vielleicht sogar Lust.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false