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Flüchtlinge Eritrea und kommen aus allen Teilen Berlins und Brandenburg zum Gottesdienst in die Philippus-Kirche

© Claudia Keller

Philippus-Kirche in Friedenau: Wie eritreische Flüchtlinge in Berlin Gottesdienst feiern

Für Flüchtlinge ist ihre Religion oft lebenswichtig. In der Friedenauer Philippus-Kirche halten eritreische Flüchtlinge ihre orthodoxen Gottesdienste. Es wird getanzt und getrommelt.

Sonntags um sechs Uhr laufen neuerdings scharenweise junge Afrikaner von der S-Bahnstation Innsbrucker Platz zur Stierstraße. Ist da irgendwo eine Demo, fragen sich viele Friedenauer. Mittlerweile wissen sie Bescheid: Die jungen Männer sind Flüchtlinge aus Eritrea und kommen aus allen Teilen Berlins und Brandenburg zum Gottesdienst in die Philippus-Kirche.

„Kirche ist Heimat“, sagt Huluf Tamene. Dafür ist ihm keine Uhrzeit zu früh und kein Weg zu weit. Tamene ist 21 Jahre alt und vor acht Monaten nach einer abenteuerlichen Flucht über den Sudan, Libyen und das Mittelmeer in Berlin angekommen. Seine Eltern seien tot, erzählt er in gebrochenem Deutsch-Englisch, ein Bruder lebe in Eritrea, ein anderer in den USA. Ein paar Stunden Gemeinschaft, die vertrauten Gesänge und Gebete seien viel wert, wenn man in der Fremde lebe.

"Uns eint der Glaube"

Eritreer treten barfuß vor Gott. So stehen um halb Sieben schon gut 50 Schuhpaare vor dem Kirchsaal. Trommelrhythmen begrüßen die Gläubigen. Die Frauen haben sich weiße Tücher um Kopf und Oberkörper geschlungen und sitzen getrennt von den Männern auf der rechten Seite der Kirchenbänke. Auch Priester, Diakone und Trommler vorne am Altar haben sich in weiße Gewänder gehüllt. Bis 2014 lebten etwa 200 Eritreer in Berlin und beteten in der äthiopischen Gemeinde. Mit der Ankunft vieler Flüchtlinge aus Eritrea, darunter auch die beiden Priester, wuchs der Wunsch nach einer eigenen Gemeinde. Die Friedenauer öffneten ihre Kirche – obwohl die Eritreer orthodoxe Christen sind und Philippus eine evangelische Gemeinde. „Uns eint der Glaube an Jesus Christus, das passt schon“, sagt die Vorsitzende des Gemeindekirchenrats. „So viele junge Leute und Kinder, da ist jetzt richtig was los bei uns.“

Der orthodoxe Gottesdienst dauert mehrere Stunden und besteht aus Lobpreisungen, Gebeten und Bibellesungen. Nach und nach kommen immer mehr Gläubige. Bevor sie sich in die Bänke setzen, knien sie sich hin und berühren den Boden mit der Stirn, wie es auch Muslime tun. Die Trommeln beschleunigen den Rhythmus, Priester und Diakone tanzen vor dem Altar, die Gemeinde klatscht mit.

Eritrea - "ein einziges Gefängnis"?

An diesem Sonntag feiern orthodoxe Christen das Fest Maria Auferstehung. Später wird die Bibel und das Buch der Maria durch die Reihen gereicht. Die Gläubigen verneigen sich vor den heiligen Büchern und küssen sie. Er sei aus dem Militär geflohen, sagt Huluf Taleme nach dem Gottesdienst im Gemeindehaus bei Tee und Brot. Aus dem Militär komme man nämlich nicht mehr heraus. Man könne keine Familie gründen, keine Ausbildung machen, selbst zur Kirche dürfe man nicht mehr.

Menschenrechtsorganisationen beklagen, dass die Soldaten wie Sklaven gehalten werden. Auch Frauen werden eingezogen und zur Prostitution gezwungen. Human Rights Watch bezeichnet Eritrea als ein einziges „gigantisches Gefängnis“. „Der Glaube ist überlebenwichtig für uns“, sagt Priester Msgun Tumzigi. „Gehorcht Gott und seid dankbar“, predigt er seiner Gemeinde. Er sei froh, dass er es hierher geschafft habe, sagt Huluf Tamene. Er wohnt in einem Flüchtlingsheim und geht jeden Tag zwei Stunden zur Schule. Doch den Rest des Tages habe er nichts zu tun. Immer nur abhängen und grübeln, davon bekomme er Kopfschmerzen. Huluf Tamene hätte gerne einen Job. „Können Sie nicht helfen?“ fragt er.

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