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Berlin: Picasso hätte seine Freude daran

Yaacov Bach hat das Andenken seiner malenden Ehefrau nach Berlin gebracht

Er schwärmt von ihr, als hätte er sich erst gestern in sie verliebt. Dabei ist das doch schon 75 Jahre her. Eine bildschöne Frau sei Yehudith gewesen, sagt der 93-jährige Yaacov Bach. So schön, dass sich die Leute nach ihr umdrehten, wenn er mit seiner Freundin über den Kurfürstendamm spazierte. Das war Anfang der 30er Jahre. Er war Jura-Student an der Friedrich-Wilhelms-Universität, sie arbeitete als Kunstlehrerin an einer jüdischen Schule.

An diesem Vormittag steht Yaacov Bach in einem der herrschaftlichen Säle des Ephraim-Palais und ist umgeben von den Gemälden seiner Frau Yehudith. Sie selbst ist vor vier Jahren gestorben. 91 Jahre ist sie alt geworden. Mit 90 hatte sie noch einmal einen ganz neuen Stil in ihrer Kunst eingeschlagen und begonnen, Collagen zu fertigen. Sie klebte Teile von Fotos und Schnipsel aus Magazinen, mal mit hebräischer, mal mit deutscher Schrift, auf Papier, das sie zuvor mit Wasser- oder Acrylfarbe bearbeitet hatte. Die so entstandene Collage fotografierte sie noch einmal, zog sie in riesigem Format auf Leinwand auf und kolorierte das Ganze noch einmal mit Ölfarbe.

Kämen Georges Braque, Pablo Picasso oder Henri Matisse vorbei, sie würden sich wiederfinden in den farbkräftigen geometrischen Formen, in den Kreisen, Dreiecken und geraden Linien, die auf vielen Gemälde von Yehudith Bach ineinander greifen. „Ich mag ja am liebsten die, wo das Figürliche ins Abstrakte übergeht“, sagt Yaacov und zieht die Besucherin zu einem Gemälde, auf dem sich gerade noch Körper erkennen lassen, die sich wie zum Tanz zusammenfinden. Dominik Bartmann, einer der Kuratoren des Stadtmuseums, hat die Bilder in einer Ausstellung in Tel Aviv gesehen und war sofort begeistert.

Ihre Motive habe Yehudith der israelischen Landschaft und ihren Menschen abgeschaut, „Einwandererfamilien“ steht unter einem Bild, das Meer, Beduinenzelte, das Industrieviertel von Haifa zeigt. Denn 1933 hatte es mit dem Bummel über den Kurfürstendamm für Yaacov und Yehudith Bach, Sohn und Tochter jüdischer Familien, ein Ende. Sie flohen vor den Nazis nach Palästina, wohin Yehudith sowieso auswandern wollte, da sie eine glühende Anhängerin von Theodor Herzl war. Der kämpfte für einen israelischen Staat, weil er der Meinung war, Juden könnten nur in Palästina gut leben. „Ich bin nur mitgegangen, weil ich so verliebt in Yehudith war“, sagt Yaacov. In Palästina haben die beiden dann 17 Jahre lang einen Bauernhof bewirtschaftet, beseelt vom Pioniergeist, ein Land aufzubauen. Die harte Arbeit habe ihm gut getan, sagt Yaacov Bach. Stundenlang in der Ausstellung umherzuwandern, bereitet dem 93-Jährigen jedenfalls keine Mühe.

Nach der Gründung Israels arbeitete Yaacov als Ökonom in verschiedenen Ministerien, die Familie zog nach Tel Aviv um. Und da, sie war bereits über 50, begann seine Frau endlich zu malen – und hörte nicht mehr auf. Obwohl sie abends oft aus dem Atelier gekommen sei und gesagt habe: „Yaacov, ich höre auf, ich kann nichts.“ „Bevor du Bilder vernichtest, sag mir, wo“, habe er geantwortet und Schiller zitiert, zum Beispiel diese Verse, die ihm auch heute noch mühelos über die Lippen kommen: „Nicht der Masse qualvoll abgerungen – schlank und licht, wie aus dem Nichts entstiegen, entsteht das Bild vor dem entzückten Blick.“

Yehudith Bach, Gemälde und Grafiken, Ephraim-Palais, Mitte, bis 28. März, tägl. außer montags 10 bis 18 Uhr, 3 Euro.

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