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Berlin: Pilot entscheidet über Abschiebung

Nicht der BGS, sondern der Kapitän hat an Bord das letzte Wort

Er schlug mit dem Kopf gegen die Kabinenwand, er stemmte sich gegen die Fußleisten. Weil ein nigerianischer Flüchtling sich heftig gegen die ihn begleitenden BGSBeamten wehrte, weigerte sich ein KLM-Pilot am Montag, den Abschiebehäftling in Richtung Lagos auszufliegen. Am Mittwoch brachen BGS-Beamte eine Abschiebung noch auf dem Weg zum Flieger ab: Der kongolesische Flüchtling hatte laut seinen Protest angekündigt. Die Ausländerbehörde will in Kürze einen neuen Abschiebeversuch starten. „Diesmal ist man besser vorbereitet“, sagt der Sprecher der Senatsinnenverwaltung, Peter Fleischmann.

Den Grenzschützern zumindest dürfte das schwer fallen: An Bord der Airlines haben sie nichts zusagen. Nach dem gewaltsamen Tod eines sudanesischen Abschiebehäftlings in einer Lufthansa-Maschine weist die Fluglinie ihre Piloten an, keine Passagiere zu befördern, die erkennbaren Widerstand leisten oder gegen ihren Willen transportiert werden. „An Bord von Lufthansa akzeptieren wir keine Fesselungen, Knebelungen oder Helme“, sagt Sprecher Thomas Jachnow. „Auch Handschellen und Klebestreifen sind nicht erlaubt.“ Die KLM verfährt ähnlich. Die Vereinigung Cockpit, der Berufsverband der Piloten, empfiehlt Flugzeugkapitänen gar in heiklen Fällen einen Häftling zu fragen, ob er fliegen möchte oder nicht. „Wenn dann jemand verneint, nehme ich ihn nicht mit“, sagt Pilot und Cockpit-Sprecher Markus Kirschneck. „Der Kapitän hat immer das Recht, einen Passagier nicht mitzunehmen, wenn er um die Sicherheit der anderen Gäste fürchtet.“

Das wissen auch die Grenzschützer: „Wir machen keine Rückführung um jeden Preis“, sagt der BGS-Sprecher des Frankfurter Flughafens, Armin Thiel. Um sich wehrende Flüchtlinge transportieren zu können, verwenden seine Kollegen allerdings Fesseln und eine neue Art von Helmen, die anders als bei dem erstickten sudanesischen Abschiebehäftling luftdurchlässig sein sollen.

Die Berliner Ausländerbehörde ließ in den ersten sechs Monaten dieses Jahres 1394 Menschen abschieben. Eine Statistik über die Zahl der abgebrochenen Abschiebungen gibt es in der Senatsinnenverwaltung nicht. Die Sprecher der großen Fluglinien halten sie jedoch für gering.

Weil Linien wie die Lufthansa ihre Bestimmungen für den Transport von Abschiebehäftlingen verschärft haben, buchen die Länder seit Jahren verstärkt Kleinstchartermaschinen bei Billig-Airlines wie der rumänischen Tarom. Der Vorteil: Die Billigflieger haben eigenes Sicherheitspersonal, das anderen Sicherheitsbestimmungen unterliegt als der Bundesgrenzschutz. Nach Informationen der Initiative gegen Abschiebehaft sollen algerische Abschiebehäftling mehrfach brutale Übergriffe durch eigens bestellte algerische Sicherheitskräfte erlitten haben. frh

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